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| | Nachtleben | 14.1.2011

Praha a zpět – Heimaturlaub Teil I

Zurück in Prag. Nach schier unendlich langen drei Monaten in der Verbannung nutze ich die Weihnachtsferien um aus der Hölle, auch bekannt als München, zu fliehen und mich, wenn auch nur für wenige Tage, wieder ins Paradies, nach Prag, zu schleichen. Anfangs war ja geplant, dass ich dort nur Zwischenstation machen würde, und ja ich weiß, es tut mir in der Seele weh, Prag als Zwischenstation zu bezeichnen, doch so sah der Plan aus. Dieser sollte mich dann weiter gen Osten nach Minsk befördern, wo ich eigentlich Silvester feiern wollte. Doch dank der Unfähigkeit deutscher Behörden, hatte ich volle sechs Tage in der Goldenen Stadt. Viel zu wenig, um all das zu machen, was ich mir vorgenommen hatte, und doch genug, um wieder high zu werden von Prag.

Die Fahrt nach Prag glich dieses Mal einem echten Abenteuer. Wie immer war ich mit der Mitfahrgelegenheit unterwegs, denn auf keinem anderen Weg kommt man so billig und schnell ins Gelobte Land. Diesmal hatte ich da aber nicht den besten Griff getan. Durch ein Telefonat schon vorgewarnt, dass ich möglichst wenig Gepäck mitnehmen sollte, da es sich um ein kleines Auto handle, war ich von dessen Größe doch mehr als erstaunt. Als dieses vor  mir zum stehen kam, zweifelte ich kurze Zeit ernsthaft, ob ich mich in diese verrostete Sardinenbüchse auch wirklich setzten wollte. Doch da ich auf die extrem alternative Kontaktdame mit bis zum Bauchnabel reichenden Dreads und ihren nicht minder alternativen Freund, unseren Fahrer, der im übrigen nur Französisch sprach, 30 Minuten bei klirrender Kälte gewartet hatte, schien mir die Verlockung eines gut geheizten Autos einfach zu groß. Noch dazu hätte ich auf meine Bahn zurück ins Wohnheim des Grauens vermutlich nochmals einen halbe Stunden warten müssen und dabei vermutlich ca. 2 Zehen verloren. So quetschte ich mich also auf den Rücksitz neben Pavel, einen ca. 50-jährigen Tschechen. Da der Franzose in Erwartung völliger Rückständigkeit, die ihm in Tschechien entgegenschlagen werde, den Kofferraum voller Baguettes gepackt hatte und diese sich bis zur Rückbank hochstapelten, blieb für mein Gepäck kein Platz, sodass ich meine Tasche letztlich auf dem Schoß halten durfte. Gut, dass ich diesmal nur das allernötigste eingepackt hatte. So eingepfercht begannen wir dann die Reise. Im Fahrpreis mit inbegriffen war eine Non-Stop-Beschallung mit Metalcore, was zwar nicht so ganz meins ist, aber mir augenscheinlich besser taugte, als Pavel.

Da unser Aussteigerpärchen nicht über ein Navi verfügte und auch noch nie in Prag war, kam Pavel nun die glorreiche Aufgabe zu, unter der ständigen Gefahr von den aus dem Kofferraum herausquellenden Baguettes auf der Rückbank hinterrücks in einer Kurve angegriffen zu werden, Richtungsanweisungen nach vorne zu schreien, wo sie dann ins Französische übersetzt wurden und unser Fahrer sie so gut er konnte umsetzte. Und dass war gar nicht so einfach, schließlich hatte er alle Hände damit voll, im Fünf-Minuten-Takt zu rauchen. Nicht, dass ich etwas gegen Raucher habe, schließlich bin ich ja selber einer. Doch wenn man dazu in einem Auto, dessen Heizung wohl gerade an der Riviera Winterurlaub macht, alle fünf Minuten die Fenster aufreißt und dass bei gefühlten minus 20 Grad Außentemperatur, dann ist das alles andere als lustig. Fünf Stunden, eine Irrfahrt bei Kauf der Vignette, die uns kurzzeitig wieder auf die Autobahn nach Deutschland führte und, dank der Mädchenblase des Franzosen, drei Pinkelpausen später kamen wir doch tatsächlich in Prag an.

Da ich noch gerade genügend Kronen besaß, um mir ein 24-Stunden-Ticket zu kaufen, machte ich mich durchgefroren, wie ich war, nun erst mal auf zum Jungmannovo námĕstí und damit zur Deutschen Bank, um Geld abzuheben. Hei, wie freute ich mich da, als ein Zettel am Bankautomaten mir verkündete, dass dieser bereits seit einem Monat außer Betrieb sei und ich somit satte 15 € Bankgebühren bezahlte für sechs Tage Prag. Doch für seine Liebe opfert man ja gerne und so machte ich mich mit den restlichen noch beweglichen Körperteilen auf, wieder in die U-Bahn hinab und zu meiner diesmaligen Bleibe in Strašnice. Da mein Ex-Mitbewohner ja nun eine sehr innige und auf buddhistischen Grundsätzen basierende beziehungsähnliche Sache mit meiner Nachmieterin am Laufen hat, und Frauen auf mich doch immer etwas eifersüchtig reagieren, hatte ich beschlossen, nicht in meine Residenz am Švandovo divadlo zurückzukehren. Gut, dass ich in München inzwischen die tschechische Austauschstudentin paní „zurückhaltend und schüchtern“ kennengelernt hatte, mit der ich mich nicht nur sehr gut verstehe, sondern die, als ich erzählte, ich wolle Silvester nach Prag fahren, auch gleich anbot, dass ich bei ihr wohnen könne. Und so gastierte ich nun, hervorragend umsorgt von paní „zurückhaltend und schüchtern“ diesmal etwas dezentraler, dafür aber mit Katze.

Kaum hatte ich mich dann ein bisschen aufgewärmt und mich mit Čič, der Katze angefreundet, musste ich auch schon wieder raus in die Kälte. Ich hatte nämlich noch eine Audienz bei Herrn Ex-Mitbewohner. Heute, nur heute sei er nach eigener Aussage in der Lage mich zu sehen, sonst sei er so unglaublich beschäftigt und wie könnte ich denn nach Prag kommen, ohne ihn zu sehen? Das wäre ja Frevel. Noch dazu hatte ich bei meinem Aufbruch im Oktober einige wichtige Sachen zurückgelassen, wie beispielsweise meinen Orangenschäler, ohne den ich im Winter leider nicht leben kann, denn wie soll ich ohne ihn Orangen schälen??? Und diesen wollte und sollte ich endlich abholen.

Und dann kam ich doch tatsächlich 20 Minuten zu spät. Schon erwartete ich eine schlimme Standpauke, doch sehr zu meinem Erstaunen wurde ich in buddhistischer Gelassenheit begrüßt. Noch mehr staunte ich, als ich dann doch einen kleinen Abstecher in mein altes Domizil machen durfte; die neue Dame des Hauses war ausgegangen. Überall dort, wo mir streng verboten war, auch nur eine kleine Hautschuppe von mir zu parken, stapelten sich nun Besitzungen der „Neuen“. Neidvoll musste ich mir eingestehen, sie hatte geschafft, was ich nie hinbekommen hatte, Monsieur fraß ihr aus der Hand.

Ein Bier später eilte ich dann fast wie früher um kurz nach neun aus dem Haus. Einziger Unterschied: diesmal würde ich nicht spät nachts zurückkehren. Traurig blickte ich zurück, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Doch nun hatte ich keine Zeit für Traurigkeit, schließlich erwartete mich ein grandioser Abend. Und dieser führte mich, wie an so vielen Abenden zuvor ins Vagon, meinen Tempel der Nacht, die Brutstube so vieler, so guter Revivalbands. Und heute sollten die Götter des Rock, die Träume meiner schlaflosen Nächte, Led Zeppelin auftreten. Leider nicht die echten, aber so nah, wie ich der Band wohl nur kommen kann und meiner Meinung nach eine verdammt gute Revivalband. Extra deshalb war ich schon am 28. nach Prag gekommen und hatte paní „zurückhaltend und schüchtern“ aus dem Winterurlaub bei Oma geholt. Nun stand sie auch schon vor dem Eingang und wartete ungeduldig. Schnell huschte ich um die Ecke, rauchte meine obligatorische VOR-DEM-VAGON-ZIGARETTE und wir eilten die Stufen hinab. Sagenhaft teuere 150 Kronen kostete der Eintritt nun und ich stellte fest, kaum war ich weg, schon traten Veränderungen auf. Nachdem wir die Jacken abgegeben hatten, ein Bier getrunken und Uriah Heep von der Bühne gehüpft war, da stand er wieder vor mir: Robert Plant. Leider nicht der echte und leider auch nicht meiner, ein Lookalike, das ich im Mai just im Vagon kennengelernt hatte und das mir seither ab und an schlaflose Nächte bereitete. Doch dazu später mehr.

Led Zeppelin Revival stürmten also die Bühne und ich tauchte in altgewohnter Manie in die Musik ab. Da ich, wie immer, ganz nah an den Boxen stand, fühlte ich den Beat im meinem Bauch vibrieren und vergaß alles um mich herum. Zwei Stunden später kam ich benommen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und dankte Gott, dass sich manche Sachen nicht geändert hatten. In der Hoffnung, dass mein Robert Plant meiner Mail und seinem Versprechen sich auf ein Bier mit mir zu treffen, wenn ich wieder in Prag sei, folgen würde und heute hier aufschlagen, schaute ich mich um. Dabei erspähte ich zwar einen ganz leckeren Metaller, doch Robert blieb verschollen und so zog ich mit einer müden paní „zurückhaltend und schüchtern“ ab gen Strašnice.

Bildnachweis:
Monika Kindermann

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