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www.unicef.dewww.unicef.de, www.ecpat.dewww.ecpat.de | Pressemitteilungen | 28.10.2003
UNICEF und ECPAT legen Bericht vor und fordern Schutz für die Opfer

Köln - Im deutsch-tschechischen Grenzgebiet hat sich ein regelrechter Markt für Kinderprostitution entwickelt. Kinder werden von Familienangehörigen zur Prostitution gezwungen. Zuhälterbanden verschleppen Minderjährige aus entfernten Regionen Tschechiens und anderen mittel- und osteuropäischen Ländern in die Grenzregion. Die Opfer werden vorwiegend von deutschen Sextouristen und Pädophilen missbraucht. Die von UNICEF und der Kinderrechtsorganisation ECPAT herausgegebene Untersuchung „Kinder auf dem Strich - Bericht von der deutsch-tschechischen Grenze“ zeichnet erstmals ein umfassendes Bild der sexuellen Ausbeutung von Kindern in der Region.

Seit 1996 beobachtete die Autorin Cathrin Schauer etwa 500 Mädchen und Jungen, die sich selbst zur Prostitution anboten oder von Erwachsenen vermittelt wurden, die Jüngsten davon noch im Säuglingsalter. Die engagierte Streetworkerin der Sozialprojekts Karo führte weiter rund 200 ausführliche Interviews mit betroffenen Kindern, erwachsenen Prostituierten, Mitarbeitern sozialer Einrichtungen, Polizeibeamten und Passanten an den Grenzübergängen.

„Es ist schockierend, dass Kinder ganz in unserer Nachbarschaft skrupellos missbraucht werden. Wir müssen alles tun, um den Opfern zu helfen und weitere Kinder vor diesen Verbrechen zu schützen“, sagte UNICEF-Schirmherrin Christina Rau und rief zur Unterstützung der Aktion „Kinder sind unverkäuflich!“ auf, mit der UNICEF zum Kampf gegen den internationalen Kinderhandel aufruft.

„Polizei und Behörden müssen energischer als bisher gegen die Ausbeutung von Kindern vorgehen“, forderte Mechtild Maurer von ECPAT Deutschland. „Das Unsichtbare muss sichtbar gemacht werden, Prostitution und der Handel mit Kindern dürfen nicht länger verleugnet werden.“

Gewalt gegen die Opfer

Die Autorin Cathrin Schauer und das KARO-Team haben in den vergangenen Jahren immer wieder beobachtet, dass Kinder und Jugendliche an Tankstellen, Bushaltestellen oder Raststätten stehen, um sich Freiern anzubieten. In manchen Straßenvierteln warten sie in Autos oder am Fenster von Wohnhäusern. Frauen mit Kleinkindern auf dem Arm halten nach Sextouristen Ausschau und reichen sie in deren Autos. Die Kinder kommen aus sozial benachteiligten, verarmten und kinderreichen Familien. Wie sehr die Armut den Einstieg in die Prostitution fördert, veranschaulicht die Aussage eines Zwölfjährigen: „Früher habe ich gebettelt an den Autos der Deutschen. Wir haben kein Geld zu Hause. Dann bin ich eben mit denen mitgefahren.“ Als Bezahlung erhalten die Kinder meist fünf bis 25 Euro. Manchmal gibt es auch nur Süßigkeiten. Die Kinder berichten übereinstimmend über Gewalt, die ihnen Zuhälter und Sextouristen antun. Sie werden ins Gesicht geschlagen, an den Haaren gezogen und mit Füßen getreten. Verletzungen wie schwere Blutergüsse sind an der Tagesordnung - bis hin zu grausamen Schnittverletzungen im Genitalbereich.

Die Täter

Die Täter sind vorwiegend deutsche Pädophile und Sextouristen aus den angrenzenden Bundesländern Bayern und Sachsen - erkennbar an den Autokennzeichen. Immer häufiger kommen aber auch Wagen aus ganz Deutschland, aus Österreich und Italien. Die Sextouristen reisen fast immer alleine an - meist mit Mittel- und Oberklassewagen, manchmal auch in Kleinbussen mit verdunkelten Scheiben. Vertreten sind alle Altersgruppen - von 18 bis 80 Jahre - unter ihnen sind ebenso gepflegte wie verwahrloste Männer. Es gibt Freier, die mehrmals wöchentlich anreisen, andere kommen in größeren Abständen. Als Erklärung, warum sie Kinder als Sexpartner missbrauchen, geben einige an: bei jüngeren Prostituierten müssten sie noch nicht mit Geschlechtskrankheiten oder AIDS rechnen.

Die Zuhälter

Oft sind die Zuhälter Verwandte der Opfer: Mütter, Väter, Geschwister und andere Familienangehörige oder auch Bekannte der Familie. Nicht selten werden sie von organisierten Netzwerken als Mittelsmänner oder Handlanger eingesetzt. Einige der Mütter arbeiten auch selbst als Prostituierte. „Meine Mama hat mir gesagt, wie ich das machen muss“, erklärt ein zehnjähriges Mädchen. Auch ältere Kinder, die schon länger in der Prostitution arbeiten, werden oft als Aufpasser eingesetzt, oder sie müssen die Jüngeren anlernen. Schon 13-Jährige vermitteln jüngere Kinder.

Kinderhandel in Mittel- und Osteuropa - ein organisiertes Geschäft

Die Untersuchung gibt eindeutige Hinweise auch auf organisierten Kinderhandel: Kinder aus anderen Regionen der tschechischen Republik, aus der Slowakei und Ländern wie Moldawien, Ukraine, Litauen und Weißrussland werden in die Grenzregion und von dort aus auch nach Deutschland verkauft, um sie sexuell auszubeuten. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) verschwinden von jährlich 900 unbegleitet in die Tschechische Republik eingereisten Kindern mehr als zwei Drittel spurlos. Als Illegale sind sie leichte Opfer für Zuhälter. Einige der Prostituierten in der Grenzregion haben bereits eine Odyssee durch mehrere Länder Europas hinter sich. Nach Schätzungen von IOM werden pro Jahr rund 120.000 Frauen und Kinder aus Ost- und Mitteleuropa in EU-Staaten verkauft.

Strategien gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern

Mit der bundesweiten Aktion „Kinder sind unverkäuflich!“ drängt UNICEF die Bundesregierung, international Vorreiter zu werden im Kampf gegen die skrupellosen Geschäfte der Kinderhändler. Wer sich an der UNICEF-Aktion beteiligen will, kann im Internet unter www.unicef.de die Forderungen von UNICEF unterzeichnen oder sich an eine der bundesweit 130 UNICEF-Gruppen wenden. Als nächste Schritte verlangt UNICEF:

- In Deutschland fehlt bislang eine zusammenhängende Berichterstattung über Kinderhandel, die die Situation der betroffenen Kinder beleuchtet - gleich ob sie als Opfer der Prostitution, als bettelnde Kinder oder durch andere Formen der Ausbeutung betroffen sind. Ein Lagebericht Kinderhandel ist dringend erforderlich.

- Die betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen als Opfer und nicht als illegal eingereiste Ausländer oder Straftäter behandelt werden. Sie brauchen Hilfe und Betreuung sowie ein ausreichendes Bleiberecht, damit sie als Zeugen gegen ihre Peiniger aussagen können.

- Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, die Zusammenarbeit mit den Behörden in den Nachbarländern bei der Strafverfolgung zu verbessern.

Autor:
Pressemitteilung von UNICEF Deutschland und ECPAT, 28.10.2003

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