Vor der Prague Film School drehen Student*innen eine Filmszene, bei der ein junger Darsteller, mit offenem Hemd immer wieder panisch die Treppe in der Pstrossova-Straße hinauf- und wieder hinabrennt. Hinter ihm eine Darstellerin im knallroten Kleid, die nicht in Eile scheint, aber dem Gehetzten spürbar auf den Fersen ist.
In der Kunsthalle blicken zwei Augen auf ein schwarzweißes Foto der tschechischen Fotografin Libuše Jarcovjáková, die in den 1970er und 1980er Jahren in Prag das Nachtleben, Minderheiten und marginalisierte Menschen fotografierte. Dabei thematisierte Jarcovjáková hedonistische Lebensstile und die „Bewohner*innen“ von geheimen Bars, in denen sie und die queere Szene verkehrten. Auf der Fotographie ist zu sehen, gar zu spüren, wie zwei Frauen aus dem Eingang einer Bar in die Nacht hinaustreten, eine Last auf ihren Schultern, sowie ein Lächeln auf den Lippen tragen.
Im Garten der Deutschen Botschaft strampeln zehn Menschen gleichzeitig auf Rennrädern des Chemnitzer Fahrradkinos, um Strom zu produzieren. Dieser wird umgehend zum Vorführen eines Imagefilms zur kommenden Kulturhauptstadt 2025 genutzt. In dem Film geht es um eine Friedensfahrt, die Fahrradfahr*innen aus Tschechien, Polen und Deutschland verbindet.
Im Prager Literaturhaus ist die Taschenuhr von Egon Erwin Kisch ausgestellt, und scheinbar stehen geblieben. Die Zeit hat hier weniger Bedeutung. So wird gemütlich zwischen stapelweise Büchern und schwarzem Tee vom „Mann mit den Radaraugen“ und dem „Panenka-Heber“ geschwärmt. Antonin Panenka war ein berühmter tschechisch-slowakischer Fußballer, der im Finale der Europameisterschaft 1976 statt platziert und mit Wucht in eine Ecke des Tores zu schießen, erfolgreich darauf spekulierte, dass Deutschlands Torhüter Sepp Maier in ein Toreck springen würde. Panenka schaufelte seinen rechten Fuß unter den Ball, um diesen in einem leichten Bogen in die Mitte des Tores zu lupfen.
Im Café Montmartre ist noch wenig los. Eine ältere Dame sitzt in der Ecke und macht sich bei einem Glas Weißwein Gedanken, die sie kurz danach zu Papier bringt. Dann schaut sie durch das Fenster auf die Řetězová hinaus, die in diesem Moment von Tourist*innen geflutet wird. Die Dame setzt von Neuem an.
Im Goethe-Institut wird eine Ausstellung zu dem Thema „Leseland DDR“ eröffnet. Zusätzlich dazu gibt es Wein, Knusperflocken (Mehrkorn-Knäckebrot aus Vollmilchschokolade) und „Fettbemmen“ (kleine Scheibe Brot mit Schmalz), sowie eine Führung durch das Haus, welches bis 1990 die Botschaft der ehemaligen DDR war. Im Keller des Jugendstilgebäudes befindet sich noch eine intakte Sauna, die mit originalen Einrichtungsgegenständen, die Stimmung „aufwärmt“ und noch von den Angestellten des Instituts genutzt wird. Auch noch kurz bevor Führungen stattfinden.
Vor dem Bike Jesus hocken zwei junge Frauen mit löchrigen Strumpfhosen, neben einem Mann mit löchrigen Schuhen. Alle wärmen sich an der Feuertonne und wirken in sich versunken, während die dröhnenden Beats aus dem Club das Industriegelände und die Gäste davor weiter einhüllen.
Im Petřín-Park schaut der tschechische Dichter Karel Hynek Mácha ein bisschen traurig von seinem Steinsockel. Dabei hält er in seiner linken Hand einen Blumenstrauß und mit der anderen schreibt er:
"Kommt die Zeit noch? Der morgige Tag? Und doch, immer noch wird irgendein Traum die Zeit
vergelten, oder zu tief schlafen, um zu träumen? Vielleicht ist dieses Leben, das ich hier lebe, nur ein Schlaf, und die Morgendämmerung wird nur einen anderen Schein geben?“