Die Filmreihe Dekalog von Krzysztof Kieślowski wurde diesmal vom Wiener Volkstheater beim 23. Prager Theaterfestival deutscher Sprache auf die Bühne gebracht. Ganz nach dem Thema des Festivals „Schluss mit Lustig“ war das Stück auf keinen Fall amüsant, sondern eher bedrückend. Das soll jetzt aber nicht bedeuten, dass es mir so schwer auf dem Herzen lag, dass ich nicht mehr wusste, wohin mit meinem Leben. Es war auch eher die schauspielerische Leistung, die mich so sehr mitgenommen hat. Die Schauspieler*innen haben die Charaktere mit so einer Überzeugungskraft dargestellt, dass ich mich gefühlt habe als wäre ich ein Teil des Geschehens. Ich konnte sie nachvollziehen, verstehen und fühlte mit ihnen, obwohl sich bei manchen Themen die zivilisierte Norm gemeldet hat und meinte: „Eh, Halt Stopp. Das ist nicht normal, wieso fühlst du mit Ihnen?“.
Die Filme von Kieślowski spielen in einer Warschauer Trabantensiedlung in den späten 80er Jahren. Jeder Teil stellt dabei ein anderes Gebot dar, aber nicht im positiven Sinne, sondern in einem moralischen Konfliktfeld. Also natürlich stirbt jemand bei dem fünften Gebot „Du sollst nicht töten“. Aber in wie weit man den Täter nach dem Kennenlernen seiner Geschichte verurteilt, bleibt einem ganz selbst überlassen. Und der Wandel der eigenen Einstellung gegenüber den Taten, den Opfern und den Tätern verändert sich von Wort zu Wort, das gesprochen wird.
Diese zehn Geschichten packte der Regisseur Stephan Kimmig in ein dreistündiges Theaterstück. Dabei hob er die Hauptursache der Geschichten in den Mittelpunkt und ließ sie durch einfachste Mittel darstellen. Auf der Bühne stand, neben den an der Seite stehenden Stühlen, noch ein im Hintergrund stehender Anhänger, auf dem die Fahrerkabine eines LKWs angebracht wurde. Die neun Schauspieler*innen wechselten von Charakter zu Charakter ihr Aussehen. Meist kamen sie schon vor ihrem Auftritt auf die Bühne und nahmen auf einem der Stühle am Bühnenrand platz, dadurch wurde meiner Meinung nach dargestellt, dass man in einer Trabantensiedlung selbst bei den privatesten Angelegenheiten nie wirklich im Privaten ist und die Dinge, die passieren, meist mehr Nachbarn mitbekommen als man denkt. In den einzelnen Geschichten wurden dann in verschiedenen Ebenen unterschiedliche Orte dargestellt, an denen sich die jeweiligen Personen aufhalten. Zur Intensivierung einzelner gefühlsvoller Situationen wurden Lieder verwendet, wie zum Beispiel Like Eye Did von Fil Bo Riva. In diesen Momenten stieg das Gänsehautgefühl nochmal um einiges an und mir schossen immer gleich die Tränen in die Augen. Aber es war meist so gut abgepasst, dass man nicht zu sehr in den einzelnen Moment verfällt und somit waren es meist kurze, aber höchst intensive Musikeinlagen.
Als ich dann das Theater in den Weinbergen (Divadlo na Vinohradech) verließ, konnte ich mich nicht gleich auf die Welt auf der anderen Seite der Tür einlassen. In Gedanken war ich noch ganz bei dem Theaterstück. So etwas passiert mir nur selten und es zeugt für mich von hoher Qualität des Ensembles und der angesprochenen Thematik.