Einst war die beste Sicht im Theater dem König vorbehalten, der von seiner Königsloge aus das Schauspiel genießen und von jedem gesehen werden konnte.
Heute ist im Prager Nationaltheater das Parkett für die Bessergestellten reserviert, die Balkone für die restliche Bevölkerung und die Studenten werden ans äußerste Ende verbannt* – die II. Galerie. Für die ärmsten der Armen der Kulturinteressierten sind die Plätze mit der schlechtesten Sicht reserviert, könnte man meinen; ich jedoch kann mir keine besseren denken.
Sicherlich muss man einige (tausend) Stufen erklimmen um zur II. Galerie zu gelangen, wenn man sie dann aber betritt stellt sich der Raum in seiner ganzen Tiefe, Weite und „Goldenheit“ vor. Es bietet sich ein Blick, den man sich vom Parkett aus nicht einmal vorstellen kann: der Blick von Oben. Ich persönlich bin richtiggehend dankbar dafür, dass der Kronleuchter im Vergleich zu anderen Häusern relativ klein ausgefallen ist, denn andernfalls würde er die Sicht auf die Imposanz des Raumes mindern.
Von den gepolsterten Sitzen mit den gepolsterten Armlehnen kann man dann auf das Schauspiel herabsehen, nicht nur auf die Bühne, sondern auch auf den Zuschauerraum. Das Beobachten ebendessen mag manches Mal ebenso interessant sein, wie das eigentliche Vorstellung – nicht zuletzt wegen der oft fabelhaften Aufmachungen der BesucherInnen. Glücklich ist, wer in der ersten Reihe sitzt, denn ihm steht die gepolsterte Umrandung zur Verfügung. Auf dieser kann man sich es nicht nur bequem machen um sich in die Vorstellung zu vertiefen, sondern auch ein Nickerchen halten, falls diese einmal nicht so beeindruckend ausfällt.
Bei einer Oper eröffnet sich außerdem ein integraler Part der Inszenierung, der sonst in einem Graben verborgen bleibt: das Orchester. Da bewegen sich Bögen in vollkommener Synchronie, da sitzt eine Person scheinbar teilnahmslos da, bis sie plötzlich mit einem glorreichen Satz das Stück beendet, da kämpfen Melodien gegeneinander an um schließlich zu ineinander überzugehen – und das alles untermalt nur die Stimmen der Opernsängerinnen und -sänger, die klar und deutlich an dein Ohr dringen, das doch so weit von dieser Bühne entfernt ist.
Nein, die “Verbannung” schmälert das Erlebnis keinesfalls, sie bereichert es. Warum sollte ich einen halsabschneiderische Preis von über 6€ zahlen, wenn ich für 60 Kronen die II. Galerie haben kann?
* An dieser Stelle soll der Fairness halber angemerkt werden, dass auch die Studenten eine Auswahl haben.