Zwei Vorstellungen des aktuellen Prager Fringe Programms habe ich besucht. Unterschiedlicher könnten meine Kritiken dazu kaum sein.
Die erste Vorstellungen fand in einem überraschend kleinen Kellerraum des Prager Hotels „Golden Key“ nahe der Tramstation Malostranské náměstí statt. Mehr als die zehn bis zwölf Stühle, die für die Zuschauer vorgesehen waren, hätten wohl gar nicht reingepasst. Mit einem großen Andrang auf die Vorstellung „The end of politics“ des US-amerikanischen Komikers Bob Bell wurde scheinbar nicht gerechnet. Und tatsächlich blieben sogar zwei, drei Stühle frei. Mein Fazit im Nachhinein: Die Vorstellung wird es schwer haben, selbst diesen Raum zu füllen.
Es sollte um Missstände unseres politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesellschaftssystems gehen. Der New-Yorker Bob Bellen sprang jedoch von einem Thema zum nächsten, ließ logische Überleitungen zumeist vermissen und verlor mehr als einmal den Faden. Zwar hatte er einige witzige Anekdoten aus unserer heutigen Gesellschaft parat, doch selten waren diese Witze besonders ausgereift und tiefgründig. Meistens schnitt Bob Bell große gesellschaftliche Themen an (z.B. soziale Medien, US-Wahlkampf, Bankenkrise etc.), um es jedoch bei wenigen oberflächlichen Sprüchen zu belassen. Nicht selten musste er außerdem auf seine vorgefertigten Notizen blicken, um überhaupt zu wissen, wo in seinem Programm wir uns befinden. Mehr als einmal ertappte ich mich selbst dabei, wie ich mehr aus Mitleid mitlachte, als dass ich wirklich amüsiert war. Im Nachhinein schien es mir passend, dass für diese eher amateurhafte Nummer kein größerer Raum bereitgestellt worden war.
Die zweite Vorstellung, „Shallow Halal“ der aus Pakistan stammenden englischen Migrantin Sajeela Kershi, hätte unterschiedlicher nicht sein können. Auf erfrischende Weise gelang es ihr über eine Stunde lang, mich praktisch dauerhaft zum Lachen zu bringen. Die Komikerin band von Anfang an das Publikum mit in ihre Witze ein und sorgte so für eine offene, unterhaltsame Stimmung. Ihr Programm ist geschmückt mit amüsanten und interessanten Geschichten über ihre persönliche Beziehung zu Religionen, insbesondere dem Islam.
Auf eindrucksvolle Weise kombiniert sie Spontanität, Humor und spannende Anekdoten (z.B. über die Taliban-Entführung ihres Onkels) und scheint bei aller Ironie und Komik immer auch eine moralische und politische Botschaft des friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Menschen und Religionen vermitteln zu wollen. Sajeela Kershi’s Show ist lebhaft, anschaulich, munter und schafft es auf leichte sowie tiefgründige Weise zugleich, wichtige Themen wie Religion und Identität zu diskutieren. Nicht umsonst hat „Shallow Halal“ schon mehrere Preise ergattert und für das Prague Fringe Festival das Haupttheater Malostranská beseda direkt an der Tramhaltestelle Malostranské náměstí zur Verfügung gestellt bekommen.
Wer sich eine eigene Meinung über das Fringe Festival oder einzelne Comedy- und Theatervorstellungen bilden möchte, hat bis zum 4. Juni 2016 noch die Gelegenheit dazu.