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Der Autor

Geboren am 1992 in Braunschweig, er lebt in Frankfurt am Main.

Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften in Frankfurt am Main. Seit drei Jahren schreibt Lennardt Loß Kurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien erschienen sind.

Seit 2017 arbeitet er als freier Autor der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das "Aschenroda Rindermassaker" wurde für den hr2-Literaturpreis 2018 nominiert. Sein Debüt erscheint im Frühjahr 2019 bei weissbook.

Auszeichnungen:

Anthologiepreis Junges Literaturforum Hessen-Thüringen 2016

1. Preis Junges Literaturforum Hessen-Thüringen 2017 und 2018

 

Bildnachweis:
© Viet Duc Le

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Das große Fressen

14. November 2018

Man kann ja in Prag nicht essen, ohne irgendwo den braven Soldaten Švejk zu sehen. Auf Biergläsern, auf Tellern, Gläsern, Tassen. Überall lächelt einen das Chuzpe-Gesicht von Švejk an, meist vom großen Josef Lada illustriert (siehe Foto 1).

Nehme mir vor die beiden Verfilmungen von Karel Steklý zu schauen.

15. November 2018

Eine Stunde durch Prag 1 gelaufen, von Buchladen zu Buchladen (toll, wie viele Buchläden es in Prag 1 gibt!) und ein DVD-Regal gesucht, in dem der brave Soldat herumliegt. Dann mittelstarken Kaufrausch bekommen und noch zwei andere Filme zur Kasse getragen (siehte Foto 2).

Eigentlich hatte ich auf meiner Filmliste – neben Švejk – noch die Comicverfilmung Alois Nebel stehen und Marketa Lazarová von František Vláčil, ein 165-minütiges Filmmonster aus dem Jahr 1967. In Deutschland kam der Film erst 49 Jahre später, 2016, in die Kinos. Der Trailer hat mich damals weggerissen: Schneelandschaften in Schwarzweiß, Dreck, Blut, Kot, Schmutz, Gewalt und zerschundene Mittelaltergesichter. Leider habe ich den Film dann im Kino verpasst. Ich hoffe, ich kann Marketa Lazarová in Prag nachholen.

Hier der Trailer: www.youtube.com/watch?v=wpQoB_FrGus

Ich muss noch kurz schwärmen: In die deutschen Kinos hat den Film damals das großartige Kölner DVD-Label Bildstörungen gebracht, das konsequent Filme veröffentlichen, die in Deutschland so gut wie vergessen sind und die man auf Massenplattformen wie Netflix oder Amazon Prime nie finden würde.

Wie auch immer: Besagte Liste, auf der Alois Nebel und Marketa Lazarová standen, hatte ich aber auf meinem Schreibtisch liegenlassen. Im Buchladen, vor dem DVD-Regal, konnte ich mich dann beim besten Willen nicht an den Titel Marketa Lazarová erinnern. Und an den Namen vom Regisseur auch nicht. Das hat mich erst brutal geärgert, dann habe ich aber etwas gemacht, was ich zuletzt als 15-jähriger getan habe: Ich habe die DVDs gekauft, deren Cover mir gefielen.

DVDs nach Covern auswählen, ist natürlich eine Schrottidee. Aber mit 14 oder 15 Jahren hat man ja null Filmbildung. Man kann kein Netz im Kopf spinnen, welcher Verleih gut ist und welcher mittelmäßig, welcher Regisseur seinen Namen verdient und welcher nicht. Und dann ist man gezwungen den Schrottfilm, den man gerade nach Hause getragen hat, auch noch gut zu finden, weil man ja 14,99 Euro ausgegeben hat und 14,99 Euro für einen 14-jährigen viel Geld sind, und man sich das Offensichtliche nicht eingestehen will: Dass das ein Fehlkauf war. Vermisse dieses Schönreden heute manchmal.

16. November 2018

Die beste Jukebox in Prag mit gut trashiger 80er-Jahre-Top-Gun-Playlist steht übrigens im Keller vom U Kotvy (siehe Foto 3).

19. November 2018

Im Shop vom Světozor ein Filmplakat von 1492: Conquest of Paradise gekauft, das punktgenau zeigt, was an dem Film falsch ist (Glorifizierung von Kolonialismus) und mit seinem Hauptdarsteller: Gérard Depardieu (siehe Foto 4).

Wobei: An Gérard Depardieu ist so viel falsch – Vergewaltigungsvorwürfe, Busenfreund von Putin, Steuerflucht, krasser bis unerträglicher Narzissmus, Größenwahn, Geltungssucht, Völlerei, allgemeine Altersverwahrlosung, tiefersitzender und verkrusteter Chauvinismus, tragische Unhöflichkeit –, dass es vermutlich kein Foto auf der Welt gibt, dass die maximale Arschlochhaftigkeit von Depardieu ausdrückt. Es gibt aber eine TV-Show, die das tut. In Schlemmen mit Gérard Depardieu reist Depardieu durch die Welt (heißt hier: Europa) und stopft in sich hinein, was ihm auf dem Weg begegnet: italienischer Schinken, Crêpes, Algen, schottische Hochland Rindersteaks, Lammkoteletts, Tintenfisch... Aus dem Off hört man Depardieus, der die unmenschliche Fresserei synchron intellektualisiert. In Bayern, durch das er mit einem wahnsinnig protzigen BMW-Cabrio rast, sagt er beim Weißwurstzuzeln beispielweise: »Manche Landschaften laden einen dazu ein, Philosoph zu sein. Ich trete mit den Bergen ins Zwiegespräch.« Der deutsche Synchronsprecher imitiert sogar das Schnaufen und Stöhnen, das Depardieus Körper beim Fressen ausstößt.

Auf YouTube hat jemand ein paar Völlereiorgien aus Schlemmen mit Gérard Depardieu zusammengeschnitten: https://www.youtube.com/watch?v=tb_FS2WFexw

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