Prag - Obwohl nicht mehr viel an das ursprüngliche jüdische Viertel Prags erinnert, pilgern Tag für Tag Touristen in den alten Stadtteil nördlich der Altstadt. Sagen und Legenden ranken sich um das Viertel. Mittlerweile stehen längst prunkvolle Jugendstilgebäude an der Stelle der einst Dicht an Dicht gedrängten Häuser des einstigen Armenviertels und die Josefstadt beherbergt die teuerste Einkaufsmeile Prags - die Pařížská.
Seine Anfänge hat das jüdische Viertel bereits im 11. Jahrhundert, als sich die ersten jüdischen Siedler in der Nähe der Karlsbrücke rechts der Moldau niederließen. Ab dem 13. Jahrhundert umschloss eine Mauer das Ghetto, die erst mehrere hundert Jahre später wieder eingerissen werden sollte.
Die Bevölkerung des Viertels gedieh und litt je nach Unterstützung oder auch Unterdrückung durch die herrschende Macht, bis Kaiser Joseph II. Ende des 18. Jahrhunderts mit seinem Toleranzpatent einen Wandel herbeiführte: Mit der Aufhebung von Kleidervorschriften, dem Erlass der Glaubensfreiheit und dem Abriss der Ghettomauern folgten bessere Lebensbedingungen der jüdischen Bevölkerung und 1850 ein neuer Name für das jüdische Viertel: Josefov, aus Dankbarkeit dem Kaiser gegenüber, der schließlich für all jene Veränderungen verantwortlich zeichnete.
900 Jahre Geschichte
Doch mit dem Verlassen des überbevölkerten Ghettos vieler Juden kam auch der Verfall des Viertels. Josefov verkam zum Armenviertel, bis man sich im Prager Sanitätsrat auf eine Sanierung verständigte.
Wandelt man vom Altstädter Ring aus entlang der exklusiven Schaufenster von Gucci und Co., stößt man nach einiger Zeit auf ein etwas tiefer liegendes Gebäude, die Altneusynagoge, eine der ältesten erhaltenen Synagogen Europas. Die tieferliegende Position der Synagoge soll als Zeichen der Demut gelten. Die Altneu-Synagoge stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist eine von drei Prager Synagogen, in denen auch heute noch Gottesdienste abgehalten werden. In der Vergangenheit Bränden und Pogromen trotzend, ist sie heute eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten des jüdischen Viertels. Wie die mittelalterliche Synagoge zu ihrem merkwürdigen Namen kam, ist strittig. Eine Theorie besagt, dass sie einst als neue Synagoge bezeichnet wurde, bis ein neuerer Bau diesen Namen beanspruchte, andere Überlegungen beziehen sich aber auch auf Ursprünge in hebräischer Sprache.
Die letzte Ruhestätte Rabbi Löws
Folgt man weiter der meist gut besuchten Červená, die vor der Altneusynagoge von der Pařížská abzweigt, gelangt man zum alten jüdischen Friedhof (Starý židovský hřbitov). Innerhalb seiner Mauern befindet sich auch die aus dem 15. Jahrhundert stammende Pinkassynagoge. Der Friedhof wurde ebenfalls im 15. Jahrhundert angelegt, der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1439. Da die Fläche des Friedhofs nur etwa einen Hektar misst, musste er im Lauf der Zeit mehrmals erweitert werden.
Dennoch wurden bis zu seiner Schließung im 18. Jahrhundert die Toten in mehreren Schichten übereinander bestattet. Heute drängen sich auf engstem Raum zahllose Grabsteine auf dem hügeligen Friedhof. Wie viele Tote hier tatsächlich ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, ist unbekannt. Schätzungen nach befinden sich auf dem Friedhof bis zu 12.000 Grabsteine und vermutlich die Gebeine von 100.000 Menschen.
Eine der bekanntesten Ruhestätten des Prager Friedhofes ist das Grab des Rabbis Jehuda Löw Ben Bezal‘el. Um den im 16. Jahrhundert lebenden bekannten Rabbi und Philosophen ranken sich zahlreiche Geschichten und Legenden Prager jüdischer Geschichte.
Wo der der Golem umging
Die Bekannteste dreht sich um die Erschaffung des Golems: Um das jüdische Volk in Prag vor Feinden zu schützen, schuf Rabbi Löw den Golem, einen Lehmmenschen, der mittels eines Stücks beschriebenen Pergaments in seinem Mund zum Leben erweckt werden konnte. Zuverlässig verrichtete dieser seinen Dienst in der Kirche und sorgte als Hüter der Judenstadt für Sicherheit auf den nächtlichen Straßen, bis der Rabbi ihm jeden Sabbat das heilige Stück Pergament aus dem Mund entfernte, um ihm einen Ruhetag zu gönnen. Als dem Rabbi aber eines Freitagabends entfiel, den Golem am Sabbat zur Ruhe zu schicken, begann der sonst so friedliche Golem, Möbelstücke und Gebäude zu zerstören. Dem Rabbi gelang es zwar, seinen Helfer zu stoppen, jedoch beschloss er an jenem Tag, sein Werk wieder zu vernichten. Auf dem Dachboden der Altneu-Synagoge verwandelte er gemeinsam mit seinen Schülern den Menschen aus Lehm zurück zu seiner Grundsubstanz, wo Legenden zufolge bis heute noch die Überreste trockenen Lehms des Golems verborgen liegen.
Neben Altneu-Synagoge und dem Judenfriedhof beherbergt Josefov mit Pinkas-, Klausen-, Maiselssynagoge und der prachtvollen Spanischen Synagoge weitere sehr sehenswerte Gebäude, sowie das Jüdische Museum, welches das Inventar von zum Abriss freigegebener Synagogen zusammengetragen hat. Als Teil des Jüdischen Museums bieten die Synagogen Raum für zahlreiche Ausstellungen über Judentum und auch jüdische Vertreibung in den Synagogen, wie zum Beispiel eine Exposition von Zeichnungen jüdischer Kinder aus Konzentrationslagern im Zweiten Weltkrieg. Besucher müssen bei ihren Besichtigungsplanungen jedoch beachten, dass das Jüdische Museum wegen des Sabbats samstags geschlossen bleibt. (kat/nk)