Prag - Er ist das Lieblingsausflugsziel der Prager innerhalb der Stadtgrenzen und bietet für Jung und Alt etwas: der 327 Meter hohe Lauenziberg (Petřín), der sich als Dominante über der Kleinseite erhebt. Fast vollständig von insgesamt acht Park- und Palaisanlagen überzogen, bildet er die grüne Lunge der Moldaumetropole.
Wo sich heute viele Erholungssuchende und spielende Kinder tummeln, ging auch schon Franz Kafka spazieren. Den Hügel mit den ausladenden Grünanlagen erwähnte er sogar in seiner Erzählung "Beschreibung eines Kampfes". Früher diente der Berg als Steinbruch, der nahezu die komplette Bausubstanz für die romanischen und gotischen Gebäude der Stadt lieferte. Darauf bezieht sich auch der tschechische Name, welcher sich vom altgriechischen Petra für Fels ableitet.
Auch war das Areal lange Zeit ein Anbaugebiet für Weinreben und stellte spätestens ab dem 10. und 11. Jahrhundert eine offizielle Hinrichtungsstätte dar, wo im Jahr 1108, im Zuge von Thronfolgestreitigkeiten innerhalb der herrschenden Přemyslidendynastie, ein ganzer Zweig dieser Familie niedergemetzelt wurde. Inmitten des Laurenzibergs, wie die Anhöhe von den Prager Deutschen genannt wurde, thront seit über hundert Jahren eine 60 Meter hohe, wenn auch nicht ganz detailgetreue, Nachbildung der Eiffelturms: der Petřín-Aussichtsturm (Petřínská rozhledna).
Atemberaubend: Aussicht vom Prager "Eiffelturm"
Dieser wurde anlässlich der Weltausstellung 1891 vom Klub tschechischer Touristen gebaut, die vom Original so beeindruckt waren, dass sie für ihre Stadt auch solch ein imposantes Bauwerk haben wollten. Seither gewährt der Turm jedem, der es wagt, die 299 Stufen in die Höhe zu steigen, einen atemberaubenden Rundumblick über die Stadt. Doch nicht nur der gleich daneben gelegene Hradschin und der historische Stadtkern präsentieren sich von ihrer besten Seite. Auch bekommt man hier einen guten Blick auf die Plattenbauwolkenkratzer, die die Stadt im Rondell umziehen, sowie auf das Fußballstadion von Sparta Prag. Atemberaubend ist allerdings nicht nur der Blick auf die tschechische Hauptstadt.
Da die Spitze des Turms im Wind hin- und herschaukelt, sieht man auf der oberen Aussichtsplattform immer wieder Menschen, die, etwas blass um die Nase, sich heftig an ihre Kamera klammernd, im Schnellschritt das Rondell hinabklettern und sich, wieder unten, erleichtert auf einer Bank niederlassen und den weichen Knien und dem flauen Magen ein kleine Pause gönnen.
All diejenigen, die sich hier angesprochen fühlen, sollten nur auf die erste Plattform in 50 Meter Höhe hinaufsteigen. Dort ist die Bewegung des Turms noch nicht zu spüren, der Ausblick dafür aber fast genau so schön.
Einst ein Wunderwerk der Technik: die Prager Standseilbahn
Um zum Aussichtsturm zu gelangen, bietet es sich an, eine Fahrt mit der Petřín-Standseilbahn (Lanová dráha) zu machen. Diese ist an das öffentliche Nahverkehrsystem angeschlossen, was bedeutet, dass man gegebenenfalls das erworbene Tages- oder Wochenticket benutzen kann. Die Bahn selbst hat insgesamt drei Stationen: Talstation Újezd, Mittelstation Nebozízek, Endstation Petřín. In unmittelbarer Nähe zur Talstation befindet sich die gleichnamige Tramstation Újezd, so dass die Seilbahn bequem mit den Straßenbahnlinien 12, 22 und 23 zu erreichen ist.
Die Bahn selbst wurde ebenfalls 1891 eröffnet und stellte damals ein Wunderwerk der Technik dar, da sie nur die Kräfte der Gravitation benutzte und die Waggons durch mit Wasser gefüllte Tanks den Berg hinauf gezogen wurden. Heute, nach unzähligen Schließungen, Renovierungen und Wiedereröffnungen läuft die Bahn elektrisch, was der Fahrt aber nichts von ihrem Zauber nimmt. Denn die zehn Minuten entlang der 530 Meter langen, dichtbewaldeten Fahrbahn sind vor allem aufgrund des plötzlichen Auftauchens der Stadt am unteren Ende der zwei Waggons so beeindruckend.
Ist man oben, also an der Endstation Petřín angekommen, lohnt sich ein kleiner Abstecher zum gleich dahinter gelegenen Rosengarten. Einige Minuten des Flanierens durch diese Anlage genügen, gerade im Sommer, wenn die Rosen in voller Blüte stehen, um die Magie auf sich wirken zu lassen.
Knödel - oder Schnitzel? Restaurant Nebozízek
Wen der Hunger ruft, der kann ins Restaurant Nebozízek einkehren. Das Restaurant, an der gleichnamigen Mittelstation der Seilbahn gelegen, war ursprünglich eine Vinárna, eine Weinstube also, und verdankt ihren Namen Kaiser Karl IV. Dieser soll auf einem Ausflug in den Park nahe der heutigen Mittelstation hungrig geworden sein und nach etwas zu essen gefragt haben. Leider war er jedoch nicht in der Lage nebo řízek (oder Schnitzel) richtig auszusprechen und so entstand der Name Nebozízek. Auf der Terrasse hat man dann nochmals Gelegenheit, sich an einem unverstellten Blick auf Stadt zu seine Füßen und Burg zu erfreuen, während man das vorzügliche Essen genießt. Der Preis ist dem Ambiente angemessen.
Nach einer üppigen Mahlzeit bietet es sich an, einen kleinen Verdauungsspaziergang durch den Park zu machen. Dabei kommt man sozusagen zwangsweise an der spätmittelalterlichen Hungermauer (Hladová zed’) vorbei. Diese Stadtmauer hatte Kaiser Karl IV. zwischen 1360 und 1362 erbauen lassen. Sie war ursprünglich 4 bis 4,5 Meter hoch und 1,8 Meter breit und diente als Schutz vor Angriffen aus dem Süden oder Westen.
Resultat einer mittelalterlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme: die Hungermauer
Der Bau resultiert gewissermaßen aus eine mittelalterlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die der Mauer auch ihren Namen gab. Die Bevölkerung litt unter einer Hungersnot, Karl IV. ordnete daher den Mauerbau an, bezahlte die Arbeiter mit Nahrung und rettete sie somit aus ihrer Not. Die Legende besagt auch, dass die Zacken an der Mauerkrone von Arbeitern stammen, die vor Hunger in die Mauer bissen, denn dem Mörtel wurden angeblich, genau wie bei der Karlsbrücke, frische Eier beigemengt.
Eine Attraktion im Park ist das gleich neben dem Aussichtsturm gelegene Spiegellabyrinth. Nach wie vor zieht es Groß und Klein an. Dort kann man die deformierten Ausmaße seines Körpers in Zerrspiegeln betrachten, was durchaus sehr lustig sein kann. Anzumerken sei dabei, dass die Spiegel von wunderschönen Holzrahmen umgeben sind, die dem Kabinett ein mystisches Flair geben. Neben den Spiegeln ist außerdem das berühmte Diorama-Gemälde "Kampf der Prager Studenten gegen die Schweden auf der Karlsbrücke im Jahre 1648" zu besichtigen.
Wer es lieber wissenschaftlicher mag, der kann einen Abstecher zur Stefánik-Sternwarte (Stefánikova hvězdárna) machen. Diese wurde 1929 erbaut und ist nach dem tschechischen Astronomen Milan Rastislav Štefánik benannt. Nachts hat man von dort einen traumhaften Blick auf die Sterne über Prag. Doch auch tagsüber kann man mit dem Spiegelteleskop Objekte am Himmel beobachten. Darüber hinaus gibt es in der Sternwarte Ausstellungen zur Geschichte der Astronomie, alte Messgegenstände können bewundert werden und eine einmalig schöne Sonnen-/Monduhr gibt es auch. Außerdem stehen die Mitarbeiter jederzeit bereit, um auf eventuelle Fragen fachkundig und sehr nett zu antworten.
Petřín lädt ein zu Erkundungsgängen auf eigene Faust
Neben den oben genannten Hauptattraktionen, die der Petřín zu bieten hat, gibt es auch eine Vielzahl weiterer Kleinode, wie beispielsweise die St.-Laurentius-Kirche (Kostel Sv. Vavrince), die anlässlich des Massakers an einem Zweig der Přemyslidendynastie errichte wurde und die dem im 3. Jahrhundert auf einem glühenden Rost gemarterten und dann exekutierten St. Laurentius geweiht ist.
Ebenfalls sehenswert ist die St.-Michael-Kirche (Kostel Sv. Michal). Dieser Holzbau ist der ukrainischen Bauweise nachempfunden und das Holz dafür wurde in den 1920er Jahren extra aus der Karpato-Ukraine importiert, die nach dem Zweiten Weltkrieg an die UdSSR abgegeben worden war. Weiter gibt es liebevoll angelegte kleine Seen mit wasserspeienden Robben, Wasserfälle und dergleichen mehr zu entdecken. Es lohnt sich also auf alle Fälle, das Areal auf eigene Faust zu erkunden.
Sofern man mit der Standseilbahn auf den Berg gefahren ist, sollte man zumindest den etwa 45-minütigen Rückweg bergab zu Fuß zu bestreiten. Dabei geht es auf serpentinenartigen Pfaden abwärts, wobei Prag immer wieder hinter den Bäumen hervor blitzt und der Weg gerade bei Sonnenuntergang einfach einen herrlichen Anblick bietet. (mk)