Straßburg/Prag - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat gestern 18 tschechischen Roma-Familien Entschädigungszahlungen zugesprochen, berichtet die Zeitung Lidové noviny (Prag).
Die Familien aus dem Kreis Ostrava hatten seit dem Jahr 2000 dagegen geklagt, dass ihre Kinder in Sonderschulen gesteckt worden waren, obwohl deren Leistungen für einen Verbleib in einer „normalen“ Grundschule gesprochen hätten.
Die Richter sahen als erwiesen an, dass es sich bei den verhandelten Fällen um Diskriminierung gehandelt hat. Das Urteil ist rechtskräftig, eine Berufung ist nicht mehr möglich.
Das bedeutet, dass der tschechische Staat nun die Entschädigungsummen von umgerechnet 4.000 Euro pro Familie und einen Teil der Gerichtskosten übernehmen muss. Marcela Miková aus Ostrava, Mutter eines der betroffenen Kinder und eine der Klägerinnen, begrüßte das Urteil. „Das Urteil freut mich sehr, ich hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass es so ausfallen könnte“, sagte Miková. Die Entschädigung werde sie ihrem heute 19-jährigen Sohn geben, der damals trotz guter Leistungen aus der normalen Grundschule in eine Sonderschule überwiesen worden war. Erst nach zwei Jahren war es Miková gelungen, bei den Behörden eine Rückversetzung ihres Sohnes in die normale Schule durchzusetzen.
Für eine Entschädigung der Roma-Familien hatten 13 von 17 Straßburger Richtern gestimmt. Die Gegenstimmen kamen von den Richtern aus Tschechien, Slowenien, der Slowakei und Spanien. Der tschechische Richter Karel Jungwiert sagte: „Auch wenn ich weiß, dass die Situation der Roma-Kinder in Tschechien bestimmt nicht ideal ist, muss ich doch fragen, welches Land in Europa mehr auf diesem Gebiet getan hat?“ Er habe sich gegen eine Entschädigung ausgesprochen, weil mit dem Gerichtsentscheid das gesamte Schulsystem Tschechiens abgeurteilt würde. (gp/nk)