Gestern hatte mein Bruder Geburtstag. Dafür ist er extra nach Prag gekommen. Wahrscheinlich hat er das mehr für sich selbst gemacht, als dass er unbedingt mit mir, der kleinen Schwester, feiern wollte. Aber vielleicht bin ich da auch ungerecht und er hat mich lieber als Prag. Glaubhafter ist jedoch, dass er es auszunutzen wollte, hier kostenlos zu schlafen und eine kostenlose – wenn auch vermutlich ziemlich unqualifizierte – Stadtführung genießen zu können (jedes Mal, wenn er mich gefragt hat: „Was ist das denn für ein Haus, wer ist das da auf dem Bild, wohin führt denn dieser Weg?“ usw. musste ich mich beschämt errötend zur Seite drehen. Stadtführen will gelernt sein!
Unsere eigentliche Stadtführung verlief jedoch nach einem ganz bestimmten Gesichtspunkt, für den wir weder einen Stadtplan brauchten noch historische Kenntnisse. Wir sind unseren (Kuchen-)Nasen gefolgt, denn zum Geburtstag gehört schließlich ein Geburtstagskuchen. Auch in Prag. Oder gerade in Prag. Und mein Bruder und ich sind leidenschaftliche Kuchenesser. Vielleicht ist er ja deswegen nach Prag gekommen, weil er mit mir am liebsten Kuchen isst.
Zunächst sind wir die Kleinseite entlang geschlendert, denn direkt nach dem Frühstück hatten wir schon einen halben koláč gegessen. Das sind diese wunderbaren flachen, runden Kuchen, die mit Quark, Mohn und Marmelade gedeckt sind. Und dann hat Kathinka noch einen Marmorkuchen von der Vinohradská pekárna auf der Bělehradska vorbeigebracht – fest und klitschig – sogar besser als der von meiner Oma.
Nun, wie dem auch sei, danach hatten wir erstmal keinen Hunger mehr. Auch Kuchen essen will schließlich gelernt sein. Wir machten also einen kleinen Spaziergang den Kampa Park entlang, geschickt an der überfüllten Karlsbrücke vorbei zur Burg hoch hinauf, am wunderschönen Klostergarten (Strahovská zahrada) vorbei und auf den Petřín, um uns unter dem Eiffelturm-Nachbau die andere Hälfte vom Kuchen schmecken zu lassen. Beinschmerz ließ uns – wieder unten – die nächste Bäckerei ansteuern, in der wir Kirschtaschen aßen. Noch ofenwarm. Das war auf der Národní, hätten wir uns aber vorher überlegen sollen, denn nur wenige Meter weiter sind wir ins Café Louvre gegangen, in der der Apfelstrudel unbedingt zu empfehlen ist.
Nach dieser doch beträchtlichen Runde wollten wir nach Hause, denn wir waren müde und die heiße Schokolade im Louvre ist wirklich Schokolade (etwas flüssigerer, sehr süßer Pudding, zu dem es aber für die, die gar nicht genug kriegen können, noch extra Zucker gibt) und wir hatten volle Bäuche. Dort angekommen sahen wir, dass in der Küche ein Geburtstagskuchen stand. So ein echter, selbstgemachter, mit Kerze obendrauf. Und den haben wir dann auch noch angeschnitten. Voller Bauch hin oder her, denn eines lasst Euch gesagt sein: Besonders am Geburtstag sind doch diese selbstgebackenen, windschiefen Kuchen die allerschönsten.