Prag - Die Reaktionen des offiziellen politischen Prag nach dem gestrigen terroristischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin fallen unterschiedlich aus.
Einerseits gibt es die inzwischen nach islamistischen Terroranschlägen fast schon zur Routine gewordenen diplomatischen Kondolenz- und Solidaritätsbekundungen "im Kampf gegen den internationalen Terrorismus". Anderseits wird jedoch auch Klartext gesprochen: Ein Regierungsmitglied macht die Politik der deutschen Bundeskanzlerin mitverantwortlich für die Bluttat.
Die Prager Burg veröffentlichte am Nachmittag ein Kondolenzsschreiben des tschechischen Staatspräsidenten Miloš Zeman an seinen deutschen Amtskollegen Joachim Gauck. "Durch das gewählte Ziel bewies der Angreifer seinen tiefen Hass nicht nur gegen die deutsche Nation, sondern auch gegen die Symbole, die sehr tief verwurzelt sind in unserer Kultur, und die wir mit Freude, Hoffnung und Hilfe für den Nächsten verbinden", heißt es darin.
Auch das tschechische Außenministerium gab eine Erklärung heraus, in der es den "barbarischen Angriff" auf die Besucher des Weihnachtsmarktes "scharf verurteilt". Regierungschef Bohuslav Sobotka (ČSSD) trat mit einer Stellungnahme persönlich vor die Presse.
"Politische Korrektheit bedroht die Deutschen und ganz Europa"
Anders dagegen der tschechische Finanzminister Andrej Babiš (Foto). Gegenüber dem Online-Dienst Parlamentní listy äußert er scharfe Kritik an der deutschen Bundeskanzlerin: "Meiner Meinung nach ist für die erschütternde Tat leider die Migrationspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel verantwortlich. Sie war es, die zugelassen hat, dass die Migranten in unkontrollierten Wellen nach Deutschland und nach ganz Europa kommen konnten, ohne Ausweise, und also auch ohne Kenntnis dessen, wer sie wirklich sind. Deutschland zahlt für diese Politik einen hohen Tribut - es ist schon der soundsovielte Angriff auf Deutsche in ihrem Land", zitiert ParlamentníListy.cz den tschechischen Vizepremier.
"Die deutschen und die Unionspolitiker müssen sich endlich eingestehen, dass sie den Migrantenfluss nach Europa außerhalb des europäischen Kontinents aufhalten müssen und aufhören mit der politischen Korrektheit, die die Deutschen und ganz Europa bedroht", fordert der tschechische Vizepremier.
Babiš hat auch eigene konkrete Vorschläge, wie Europa die Krise bewältigen könne: "Eine Lösung ist Frieden in Syrien und die Rückkehr der Migranten in ihre Heimat. In Europa ist kein Platz für sie. Sie müssen warten in Flüchtlinglagern in der Türkei. Die Migration aus Afrika in Libyen stoppen und für die Staaten, aus denen sie fliehen, finanzielle Hilfe vereinbaren, damit sie ihre Heimat nicht verlassen".
Der populäre Politiker, der von politischen Gegnern gern mit dem Prädikat "Populist" belegt wird, ist dabei in Tschechien kein politischer Außenseiter.
Dem Finanzminister und Milliardär gehört nicht nur ein Zeitungs- und Medienimperium aus reichweitenstarken "Mainstream-Medien", zu dem unter anderem die große Tageszeitung Mladá fronta Dnes gehört.
Politische Beobachter räumen ihm auch gute Chancen ein, mit seiner politischen Bewegung ANO die nächsten Parlamentswahlen zu gewinnen und der nächste tschechische Regierungschef zu werden.
Mit seinem in den ParlamentníListy.cz geäußerten Ansichten dürfte Andrej Babiš auf der Prager Burg jedenfalls, beim tschechischen Staatspräsidenten Miloš Zeman also, offene Türen einrennen. (nk)