Meinen Kommentar zur tschechischen Flüchtlingspolitik habe ich bereits im letzten Jahr kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer das Gespräche mit tschechischen Intellektuellen zunehmend in extremeren Aussagen enden. Die Aussagen dieser Zeitgenossen sind so extrem rechts und verstoßen auf solch extreme Weise gegen die Menschenwürde, dass ich es mir verkneife, sie hier zu wiederholen.
Radio Praha: Tschechische Waffenexporte steigen um mehr als die Hälfte
Vor Weihnachten letzten Jahres habe ich in meinem Kommentar noch versucht an die christliche Nächstenliebe zu appellieren, wo doch so viele atheistische Tschechen (!) sich urplötzlich auf die christlich-abendländischen Werte wieder besinnen. Nun ist es vielleicht Zeit, sich die Fakten vor Augen zu halten, und die sehen so aus, dass - wie in jedem Krieg - unschuldige Menschen täglich getötet oder verstümmelt werden und zwar durch Bomben, die europäische Industrienationen profitbringend herstellen und verkaufen.
ZEIT-Online: "Kinder, die nur das Inferno kennen"
Wenige Tage vor dem Besuch Angela Merkels auf der Prager Burg ist die Stimmung in der tschechischen Bevölkerung aufgeheizt. Merkel wird für mittlerweile alles verantwortlich gemacht. Schuld sei sie an der angeblich schlechten tschechischen Wirtschaft, an der angeblich hohen Arbeitslosigkeit, an der Euro-Krise, an der Flüchtlingskrise und vieles mehr. Zitat einer tschechischen Interview-Partnerin: "Wir hassen Merkel! Sie hat die Flüchtlinge nach Europa eingeladen."
PZ: "Waffenexporte trotz Embargo - Tschechische Unternehmen lieferten Waffen in die Ukraine – mit Wissen der Behörden"
Gegenüber der Empörung der Flüchtlinge, die vor Hunger, Krieg und Gewalt flüchten, findet man in Tschechien so gut wie keine Empörung über die fetten Gewinne deutscher und anderer europäischer Waffenhersteller und Exporteure. Konfrontiert man die "Merkel-Hasser" mit diesen Tatsachen, erntet man allenfalls ein müdes Achselzucken. Waffenproduktionen und Exporte sind also scheinbar gut für die Wirtschaft, solange Bomben und Giftgas nicht auf die eigenen Köpfe fallen.
Wie kommen Terroristen an Kalaschnikows? - heuteplus | ZDF
https://www.youtube.com/watch?v=UlFNtDwAroU
Der o. g. Ausschnitt (2,29 Min.) bei Youtube aus dem ZDF-Bericht "Kalaschnikows für Terroristen - Waffenschmuggel in Europa" zeigt wie ungarische Zollbeamte sich bestechen lassen, wenn es um Waffenschmuggel aus dem Balkan in die EU geht. Der ganze Bericht (28,41 Min.) ist auf ZDF-Online zu finden: Kalaschnikows für Terroristen - Waffenschmuggel in Europa
SZ: "Waffen für den Nahen Osten Die Bundesregierung hat weitere Rüstungsexporte in den Nahen Osten genehmigt."
Radio Praha: "Tschechische Waffenexporte erreichen Rekordwert - Größter Abnehmer ist der Irak"
In den westlichen Medien geht seit heute ein Bild um die Welt. Es ist der Junge von Aleppo. Wie kaum ein anderes Bild steht der Junge für die Folgen von Waffenhandel, Stellvertreterkriegen und den fetten Gewinnen der börsennotierten Waffenhersteller. In den russischen Medien spielte das Bild keine Rolle. Da wurde statt dessen von einer todesmutigen russischen Mutter berichtet, die sich beim jüngsten Angriff auf Aleppo selbstlos schütztend über ihre Kinder geworfen habe und die nun in einem Hospital in St. Petersburg behandelt würde.
Spiegel Online: "Hubschrauber und Gewehre: Regierung genehmigt Waffendeals mit Saudi-Arabien"
Es ist vielleicht für den einen oder anderen Bürger Tschechiens nicht nachvollziehbar, was genau da in Aleppo in den letzten 24 Stunden passiert ist und wer nun tatsächlich den Bombenangriff geflogen hat (Russland bestreitet verantwortlich für den Angriff zu sein.), deswegen berechtigt das aber noch lange nicht, syrische Flüchtlinge als "Sozialschmarotzer" hinzustellen, die nur nach Europa kämen, um Arbeitslosengeld zu kassieren und die Burka an tschechische Frauen zu verteilen. Die Wahrheit, die in jedem Krieg passiert, hat wohl niemand anderes so deutlich auf den Punkt gebracht wie Carl von Ossietzky 1931 in der Weltbühne: "Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede."
NZZ: "Das Moratorium ist Geschichte - Waffenexporte in den Nahen Osten"
In der Tat ist der Krieg ein besseres Geschäft als der Friede. Das zeigt ein Blick in die täglichen Wirtschaftsnachrichten und weil das so ist, ist es beschämend Ausgebombte und Flüchtlinge als "Sozialschmarotzer" darzustellen, während gleichzeitig die Profiteure europäischer Waffenhersteller, Händler und Exporteure sich an ihrem europäischen Wohlstand erfreuen. Wer sind nun also diese Profiteure der EU-Waffenschmiede? Das sollten sich genau die Leute fragen, die tagein, tagaus auf arabische Flüchtlinge schimpfen. Es ist gar nicht so lange her, da waren auch Europäer die Flüchtlinge...
Prag, 19.08.2016
Konstantin John Kowalewski
Artikellink: http://prag-aktuell.cz/blog/der-krieg-ist-besseres-geschaeft-der-friede-...