Saarbrücken/Prag - Tag 31: Es ist also der Tag des Endspiels. Dabei war doch der Höhepunkt eigentlich schon gestern. Meinen dreijährigen Neffen frage ich im Scherz, na, wer wird Weltmeister? Er antwortet mir tatsächlich, heute wird keiner Weltmeister. Wie recht er damit behalten sollte!
Ich lasse eigens einen der vier Fußballweisen anreisen (siehe Tag 1), um dem Turnier einen würdigen Abschluss zu geben. Der göttliche Zidane denkt da leider anders. Soviel möchte ich vorwegnehmen. Auch der Eisverkäufer vom Vortag hat etwas bessere Laune. Diesmal kaufe ich Erdbeer-Pistazie. Schmeckt weltmeisterlich. Langsam ergebe ich mich dem Unvermeidlichen.
Abends schauen wir nach einem echt entspannten Sonntag das Endspiel in einem Public Viewing Place an, genau dort, wo wir bereits dem Spiel um Platz drei beiwohnten. Eigentlich war nicht viel los, weit weniger als am Vortag. Die WM ist also doch schon beendet, jetzt folgt nur der übliche krampfhafte Abschluss.
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Soll ich wirklich noch etwas über das Spiel erzählen? Nein, es endet ja Einseins. Die Franzosen sind besser, aber Italien wird am Ende Weltmeister. Doch es ist nicht nur deshalb eine Schande, weil sie im Elfmeterschießen gewinnen. Vor allem aber deshalb, weil wir uns alle fragen, was Materazzi mit dem göttlichen Zidane gemacht hat.
Der ist nämlich völlig ausgerastet und hat den italienischen Verteidiger - Kopfballschütze zum Einseins, nachdem Zidane einen Elfmeter mit etwas Glück zur französischen Führung verwandelt hat - also, wie ein Stier mit dem Kopf im Solar Plexus gerammt hat. Nach einer Aktion, die schon vorbei war, doch beide reden noch und dann rastet Zidane völlig aus, in seinem allerletzten Spiel, im WM-Endspiel. Unglaublich.
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Ich neige ja zu der Theorie, dass Materazzi einen üblen rassistischen Spruch losgelassen hat, denn sonst wäre der Göttliche niemals so ausgerastet. Ich kann es nicht verstehen, niemand auf dem Platz, die WM ist verdorben, Italien gewinnt im Elfmeterschießen. Aber die Frage bleibt.
Ich spekuliere, ob sich Zidane noch in der Kabine erschossen hat, oder ob er auf Materazzi wartet, um ihn hinzurichten und anschließend sich selbst. Das Spiel selbst - nicht schlecht, nicht gut, doch hier ist ein Skandal geschehen, den die FIFA sicherlich übertünchen wird.
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Nein, die WM war geil, doch dieser Abschluss ist unwürdig. Mir ist jegliche Lust auf Fußball vergangen. Meine Lebensbegleiterin sieht das nicht mit Unbehagen. Sie hat ja recht. Vier Wochen lang mache ich mich zum Narren, lasse mich verarschen, Hauptsache, die WM ist geil. Und am Ende ist alles Scheiße.
Nein, Italien hat sich den Titel zwar verdient, doch irgendwas ist abgegangen - zwischen Zidane und Materazzi, zwischen der Regierung und dem Volk, überhaupt, viele nutzen die WM, um andere zu verarschen, vor allem die FIFA -, wovon ich wahrscheinlich nie erfahren werde.
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Jetzt gilt nur noch eins: Diese WM so schnell wie möglich zu vergessen. Perfekt organisiert soll sie ja gewesen sein, aber vollkommen vorhersehbar. Wahrlich keine Werbung für den Fußball. Also, das normale Leben kann wieder beginnen. Arrivederci, 2010 in South Africa.
Ihr deutscher WM-Beobachter in Prag in Saarbrücken