Es war ein Nachmittag wie gemalt, du wirst dich sicherlich nicht daran erinnern können, du bist ja noch zu klein. Papa wird dir das hoffentlich erzählen und ich habe es deinen Papa versprochen, dir zur Erinnerung zu schreiben. Ich war der komische Mann, der die ganze Zeit neben Papa gestanden hat und manchmal geplärrt hat wie ein kleines Kind. Ich schäme mich überhaupt nicht dafür, es stimmt nicht, dass Indianer nicht heulen. Lass dir das niemals einreden.
Du hast sicherlich überhaupt nicht begriffen, was in dem Biergarten vor sich gegangen ist und warum so viele Große sich so komisch verhalten. Wir sind aber manchmal auch nicht reifer als du mit deinen 15 Monaten. Wir nehmen Spiele auch sehr ernst, wenn wir auch andere Spiele haben als du. Und an diesem Nachmittag war das solch ein Spiel.
Vielleicht wirst du dich in einigen Jahren daran erinnern, dass du 2010 bereits auf der Welt warst, so wie ich 1970. Und es wird dich interessieren, was eigentlich um dich herum passiert ist, als dich Papa auf den Arm genommen hat oder als du aus deinem Wägelchen mit großer Begeisterung deine Trinkflasche weggeworfen hast. Ich war dabei, es war der 127. Geburtstag von Franz Kafka und die Fußball-Weltmeisterschaft fand in Südafrika statt.
Es ist nicht wichtig, ob du jemals selbst Fußball spielen wirst oder eher Eishockey oder Tennis wie Berdrých. Dein Heimatland hat endlich eine stabile Regierung bekommen, mal sehen, was dabei herauskommt. Vielleicht wirst du ja später auch Politiker oder aber ein ordentlicher Mensch. Den einzigen, oder doch nahezu einzigen anständigen Menschen in der Politik, Vladimír Špidla, hat dieses Land ja aus dem Amt gejagt, damit sich ein junger Emporkömmling mit dem Namen Gross noch schnell sein Appartement in Florida verdienen kann. Jetzt hat er den Ölteppich vor der Nase, das kommt davon.
Jáchym, du wirst dich auch nicht mehr an das Spiel erinnern, vielleicht wirst du es irgendwann in deinem Leben nochmals sehen können und wenn dir das vergönnt ist, nimm dir die Zeit dafür. Dann entdeckst du auch den komischen kleinen dicklichen Mann mit den langen grauen Haaren, unrasiert zudem, an der Seitenlinie herumtoben. Nimm dir bitte kein Beispiel an seiner Frisur, auch nicht an seinem Lebenswandel, der ja jetzt geläutert sein soll. Das ist Diego Armando Maradona, einst der beste Fußballspieleer der Welt. Doch das sind Western von gestern, weil alter Ruhm schnell verblasst. Das, bitte, lerne ganz schnell: Es ist egal, welchen großen Namen einer trägt oder welchen Ruhm er schultert. Maradona hat sich anlässlich des Freundschaftsspiels Deutschland gegen Argentinien im März, denke ich, 2010 geweigert, sich mit Thomas Müller an einen Tisch zu einer Pressekonferenz zu setzen. Mit einem Spieler, und dann noch mit einem Unbekannten? Der hat ihm das an Kafkas Geburtstag gedankt und nach drei Minuten das Einszunull eingeschenkt. Und das war nur der erste Schluck des bitteren Trunks in diesem Spiel. Drei weitere Wermutstropfen mussten auch noch die Kehle hinunter.
Jáchym, ich habe geschrieen, als wäre ich von Sinnen und die ganze Zeit Rumänisch gebrabbelt, frage mich nicht, warum, aber es hat seine Gründe. Jáchym, du kleiner Hosenscheißer, ich hoffe, dass du in zehn oder fünfzehn Jahren diese Zeilen liest und einfach neugierig wirst. Dann hätte dieser Wahnsinn, der bereits drei Wochen andauert, wenigstens einen Sinn gehabt.
Pá pá, Jáchyme!