Prag - Noch immer ungehalten über das schwache deutsche Spiel vom Vortag klage ich Nick mein Leid. Unser Trainer ist verrückt. Wir haben den wohl besten rechten Verteidiger der Welt, aber wo spielt er? Im Mittelfeld. Und der Müller, der muss sich vorne in der Spitze aufreiben, wo doch jeder weiß, dass er hinter der Spitze am torgefährlichsten ist. Aber der Löw hat ja den Kader lange Jahre geplant, so dass wir jetzt fast ohne Stürmer dastehen. Den Kießling hat er so lange ignoriert, dass der wohl eh nicht mitgefahren wäre. Den Gomez hat er vor zwei Jahren auch niedergemacht, der Mann schießt die ersten drei Tore für das Team, bereitet das vierte vor und findet sich zum Dank auf der Bank wieder. Dem Schmelzer hat der Löw ja seinerzeit auch gesagt, dass er ihn nur aufstellt, weil er keinen besseren findet. Das sind echte Motivationskünste. Deshalb muss der Höwedes auch pro Spiel zwei Mal an der Grundlinie auf Linksaußenposition zur Eckfahne spurten und zurück. Es gibt in Deutschland ja angeblich keine Außenverteidiger mehr.
Belgien gewinnt
Ach ja, wie war Fußball früher doch so einfach. Brasilien spielt schön, Italien destruktiv, Deutschland erfolgreich. Die USA überhaupt nicht. Und heute?
Ich rede mich in Rage, und dann dieser Fimmel mit dem unbekannten Mustafi, Shkodran, nicht Shkoder, wie ich angenommen habe, zweites ist eine Stadt im nördlichen Albanien, ist das jetzt Löws Robert Huth? Was macht der überhaupt? Warum hat er den denn nicht mitgenommen, den kantigen Haudegen aus der Prämien-Liga, das ist doch auch ein Vorstopper. Nick seufzt, natürlich, das sind meine Luxussorgen, noch auf die eigene Mannschaft schimpfen zu dürfen, wenn sie gegen Ghana nur unentschieden spielt. Sein Team ist in einer Gruppe ausgeschieden, die Costa Rica anführt. Das ist hart. Ich schimpfe aber getrost weiter, denn das Geschehen auf dem brasilianischen Grün gibt wenig Anlass, sich der Gegenwart zu widmen. Am Ende gelingt den Belgiern noch ein gescheiter Angriff und das entscheidende Tor. Die roten Teufel sind damit weiter, ohne überzeugt zu haben.
Fußballmüde
Eigentlich möchte ich nach Hause und mir den Rest ersparen, Nick überredet mich dann doch noch zu bleiben und so sehe ich ein ungewöhnlich unterhaltsames Spiel. Algerien ist den Südkoreanern in allen Belangen überlegen. Irgendwie habe ich die Lees, Parks, Sungs stärker eingeschätzt. Algerien beeindruckt mich und hat gegen Russland das Weiterkommen vor Augen. Algerien, Mann oh Mann.
Danach gehe ich aber wirklich nach Hause, die Klinsmänner müssen ohne meine Unterstützung auskommen und lassen mit einem Unentschieden noch alles in der deutschen Gruppe offen. Wir sind noch lange nicht weiter und wenn der Löw das echt vermasselt, dann muss er aber gehen. Der mit seinem komischen Fußballrezept, einen ins Tor zu stellen und Vorstopper und Mittelfeldspieler gleichmäßig über den Platz zu verteilen, die Linksfüßler bevorzugt auf rechts, die Rechtsfüßler auf links, das ist ein Überraschungsmoment. Ach ja, wie war Fußball früher doch so einfach. Brasilien spielt schön, Italien destruktiv, Deutschland erfolgreich. Die USA überhaupt nicht. Und heute?
Gerd Lemke