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| | | 22.3.2011

Dauerhafte Verunstaltung

Und dann ist auf einmal auch schon Donnerstag, der große Tag und das gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen kriege ich heute meinen dritten motýl und zum anderen spielt am Abend Black Label Society in der Vltavská. Doch bis dahin ist es noch ein langer Tag.

Ich beschließe, mich erst mal auszuschlafen; nach den zwei letzten Tagen hab ich das auch bitter nötig. So gegen 12 rolle ich dann mal aus dem Bett. Meine Schlüsseldame ist schon wieder unterwegs, ich bin also mit Čič alleine. Gemütlich schlendere ich ins Bad und gönne mir noch mal eine schöne ausgiebige Dusche. Schließlich darf ich mich nun eine Woche lang nicht waschen, bis das Tattoo verheilt ist. Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Das gute Ding darf nur nicht nass werden, und da es sich dieses Mal ungefähr auf Bauchnabelhöhe auf meinen Rücken befinden wird, ist Duschen dann erst mal schwierig. Also noch ein letztes Mal abtauchen unten den warmen Wasserfall.

So, nachdem ich nun schön sauber bin, mache ich mich mal an die Outfitplanung für heute Abend. Da ich um 3 Uhr den Termin bei Schnuckelchen hab und das vermutlich ’ne Stunde dauern wird und ich danach noch bissal mit meiner Fotoschnecke rumhängen werde, aber um 6 Uhr eigentlich schon an der Vltavská sein soll, um mich dort mit meiner Konzertbegleitung zu treffen, wird das mal wieder alles echt eng. Ich hab aber auch keine Lust, mich jetzt schon fürs Konzert zu stylen und dann den ganzen Tag in Leopardenstrumpfhosen und Overknees durch die Stadt zu laufen. Also lege ich mir einfach mal alles zurecht, damit ich später dann nur noch reinspringen muss und hoffe, dass ich das zeitlich irgendwie schaffe, was ich natürlich nicht tue. So, da wäre der Rock, das Top, die Kapuzenjacke, und nicht zu vergessen die Lederjacke. Hm, soll ich die wirklich schon rauslegen? Nicht, dass sie mir Čič, mit der ich in den letzten Tagen keine Freundschaft geschlossen habe, verkratzt? Und dann müsste ich sie wirklich töten. Ich meine, die Sache am Montag war schon hart an der Grenze, aber wenn sie nun meine Lieblingslederjacke kaputt macht, dann ist echt Schicht im Schacht. Ich schaue zu ihr rüber. „Bist du zu so einer Tat im Stande?“ Sie verdreht den Kopf. Ok, ich werte das mal als nein und hoffe das Beste.

Nun ist es auch schon wieder total spät und ehe ich mir noch genau überlegt hab, wohin mit motýl No. 3, muss ich auch schon wieder aus dem Haus laufen. Gut, dass ich mich vorab noch mit der Fotoschnecke in der Paneria treffe, dann haben wir noch ein bisschen Zeit, uns zu beraten. Als ich gegen kurz nach halb drei dort aufschlage, mampft sie in aller Ruhe eine Kirschtasche, während ich langsam aber sicher nervös werde. Aber ich hab mich ja selber in die Situation manövriert, ich wollte ja mehr Abenteuer, Adrenalin und so, also muss ich da nun auch durch. Und während die Fotoschnecke noch weiter mampft, überlegen wir, wohin und wie und überhaupt. Schließlich soll am Ende ja ein Gesamtkunstwerk draus werden und nicht nur ein Ansammlung komisch rumfliegender Schmetterlinge. Langsam fangen auch die Leute schon doof an zu gucken, weil wir ständig an meinem Rücken rummachen. Aber letztlich scheint dann eine gute Stelle gefunden, die Fotoschnecke ist fertig mit Mampfen und wir ziehen los Richtung Vodičkova.

Schnell noch eine geraucht und ein Stück Schokolade in den Mund geschoben für den Blutzucker, dann geht’s auch schon rein. Schnucki erwartet uns schon, zeigt mir kurz die Vorlage, die natürlich fantastisch auszieht, und verzieht sich wieder nach hinten, um alles vorzubereiten. Ja, und da sitzen wir nun und warten. Die Fotoschnecke ist ganz blass um die Nase und schaut mich mit großen Augen an. „Und wenn ich nun was falsch mache?“ Sie soll nämlich den dokumentarischen Part heute übernehmen. „Quatsch, du machst doch super Fotos!“ beruhige ich sie und versuche mich gleichzeitig abzulenken. Wir schauen die Vorlagen an, diskutieren, ob sich die Schnecke piercen lassen soll und sie bestätigt, was ich schon lange weiß, dass Schnucki echt heiß ist. Deshalb bin ich ja wieder hier. Und natürlich, weil er den letzten so unglaublich gut gestochen hat. Ach, wäre er doch nur nicht verheiratet. Doch bevor ich mir darüber nun noch Gedanken machen kann, geht’s los. Sehr zu meiner Irritation stelle ich fest, dass der Chef keinen halben Meter von meiner Liege entfernt ein junges Mädchen dauerhaft verunstaltet. Find ich doof, ich wollte doch mit Schnucki alleine sein! Aber jetzt diskutieren wir erst mal, wohin mit No. 3. Ich erzähle ihm von meinem Plan No. 4 und 5 bezüglich und zeige ihm die vorhin ausgetüftelte Stelle. Findet er doof. Da gebe es ein Loch, wenn ich mich zur Seite drehe und das sehe komisch aus. Ok, er ist der Profi. Gut, dann hätten wir das ja auch geklärt. Nun erkundigt er sich noch ganz liebevoll „Ale, už se nebojíš?“ Wann hab ich mich denn jemals gefürchtet? Hmm? „Ne, vůbec ne, teším se!“ Ja, und dann darf ich auf die Liege hüpfen und Schnucki schiebt mir das Shirt hoch, damit er auch freien Arbeitsplatz hat. Hui, mir schlägt das Herz bis zum Hals!

Gerade eben höre ich noch das Surren der Nadel, da spüre ich sie auch schon auf meinem Rücken, und das tut gerade eben verflucht weh! Damit habe ich nicht gerechnet. Natürlich piekst es am Anfang etwas, aber das ist mehr als Pieksen! Klar, ist ja nun auch ein Stück weiter oben, da ist die Haut dünner und weniger Speck drunter. Klasse, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Doch während ich mich noch über meine Dummheit ärgere, gewöhne ich mich langsam an die Nadel. Und dann wirds doch noch so richtig GUT! Schnucki hat sich inzwischen auch eingearbeitet, summt zur Musik. Die ist leider weniger gut und Schnucki damit gleich ein bisschen unattraktiver, wenn er auf sowas steht. Aber nein nein, Schnucki ist und bleibt einfach Schnucki, ob nun verheiratet oder mit schlechtem Musikgeschmack. Und da ja er ja leider unerreichbar ist, genieße ich die Zeit lieber, als mir über seinen Musikgeschmack Gedanken zu machen.

Und dann ist auch schon ’ne Stunde rum, das Vergnügen vorbei und No. 3 geschlüpft. Als ich mein Bedauern über das Ende zum Ausdruck bringe, meint Schnucki, machen wir spontan weiter mit No. 4. Welch Verführung! Hätte er mir das nur gesagt, was er mir 10 Minuten später mitteilt, als es ans Zahlen geht. Da krieg ich nämlich 500 Kronen Rabatt, weil ich wieder gekommen bin. Total genial. Bevor ich nun dann nur 1000 Kronen bezahle, werde ich aber noch liebvoll verarztet. Strahlend wie ein Honigkuchenpferd verlasse ich dann mit einer immer noch blassen Fotoschnecke den Laden. Bevor ich aus der Schwelle bin, drehe ich mich nochmal um. „Tak do května, tam se vratím za příští motýl!“ Schnucki lächelt und meint, er freue sich schon. Und ich mich erst!

So, nun geht’s schnurstracks in den Maci nebenan, ich habe riesigen Hunger. Dort bequatsche ich dann mit der Fotoschnecke, die langsam auch wieder etwas Farbe bekommt, alles haarklein und schaue mir ein Dutzend mal die Fotos an, ehe sich dann unsere Wege leider trennen. Da sie morgen in aller Früh bereits wieder nachhause fährt, ist das nun das letzte Mal, dass wir uns sehen. Auf die überschwängliche Begrüßung am Dienstag folgt nun eine ebensolche Verabschiedung und das Versprechen, uns nun öfters zu sehen!

Ja, und dann laufe ich auch schon wieder los!

Bildnachweis:
Monika Kindermann

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