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| | Nachtleben | 19.9.2010

Do you want an other fuck Praha? - Konzert von Nouvelle Vague

Nun, eigentlich ist das ja gar nicht mein Musikgeschmack. Viel zu weich und soft. Warum ich trotzdem da war? Hm, es war zu jener Zeit, als ich noch jung, unschuldig und naiv, geradezu erschreckend naiv war. Da gab es diesen Mann. Intellektuell, gebildet und kultiviert - alles was ich damals an Männern mochte! Ja, ich habe bereits erwähnt, es ist lange her und ich war wirklich ganz schrecklich naiv und brav zu dieser Zeit. Naja, also dieser Mann hörte Nouvelle Vague und erzählte mir ab und an von dieser geheimnisvollen französischen Band, die Punk und New Wave Songs covere und das im Bossa Nova-Stil aufziehen würde. Machte mächtig Eindruck auf mich, aber damals wusste ich auch noch nicht, was New Wave ist. Und wie das bei leicht zu beeinflussenden jungen Dingern so ist, fing ich auch an, Nouvelle Vague zu hören und fühlte mich so mondän, so chi chic und ou la la dabei. Da es die Band jedoch nur zu drei Alben gebracht hat und ich irgendwann älter wurde, weniger leicht zu beeinflussen und weniger frankophil und erkannte, dass kultiviert und kniggetreu nun nicht gerade das ist, was ich bei einem Mann suche, kehrte ich Nouvelle Vague den Rücken. Doch die Vergangenheit holt einen immer ein. Und so las ich vor kurzem, dass Nouvelle Vague nun gerade ihr Best-Of-Album herausgebracht haben und damit durch die Welt touren. Und plötzlich stand er wieder vor mir, Dr. P., der Schwarm meiner Jugend. Da kam ich auf die Idee, dass es doch nett sein könnte, sich die Band mal live anzusehen. Und so ein bisschen französischer Schick nach all dem Kellermuff, das wäre doch mal was.

Ja, dann wurde es Dienstag und das Konzert stand vor der Tür. Passte mir nicht so wirklich. Ich war müde und gestresst und eigentlich wollte ich nach der Arbeit nur schlafen. Und dann regnete es auch noch ununterbrochen. Aber da ich die Akkreditierung schon angeleiert hatte und das auch noch ein neues Management war, bei dem ich einen guten Eindruck hinterlassen wollte, hab ich mich dann doch aufgerafft, mich ganz im ou la la-Stil in ein kleines Kleidchen und Stiefel geworfen, die Augen Brigitte Bardot-mäßig geschminkt, dazu einen Schmollmund und schon lief ich aus dem Haus. Dass ich mir auf dem Weg zum Kulturní dům Vltava fast den Arsch abfror deshalb, war mir egal. Schließlich wollte ich ja nicht wie der letzte Trampel auf das Konzert. Aber eigentlich hätte ich es wissen müssen. Da war ich nun schon auf so vielen Konzerten und immer sind die Tschechen rumgelaufen wie gerade vom letzten Heuschober gesprungen, während ich immer aufgebretzelt war wie nochmal was. Und so war ich auch dieses Mal wieder overdressed. Ok gut, bis auf die Dame, die geradeswegs aus einem Manga entlaufen ist, aber die zählt nicht.

Da stand ich also vor dem Kulturní dum, rauchte noch die letzte Zigarette, weil drinnen natürlich mal wieder Nichtraucher war und trippelte zum Akkreditierungsstand. Dort lernte ich dann meinen zweiten Kartendealer kennen, nachdem die Beziehung zum ersten ja irgendwie im Sande verlaufen ist. Aber der neue ist eh süßer und entspricht meinem Alter eher. Doof nur, dass ich mich beim Wegtrippeln fast hingelegt hätte, weil der Boden so saumäßig rutschig war. Naja, vielleicht fand er es ja süß?!?

Nachdem der Securitykontrolleur, dieses Mal auch wirklich nichts fand, haha, ging ich dann in den Keller. Hier wartete ich erst mal endlos lange, bis ich schon fast im Stehen eingeschlafen wäre. Da mich ja nun wirklich alle verlassen haben, stand ich da also wieder mal alleine, hielt mich an meinem Bier fest und war der festen Überzeugung, dass Nouvelle Vague nicht bekannt genug seien, um das Publikum ewig warten lassen zu können. Da täuschte ich mich, genau wie in dem Punkt, dass einer dieser ebenfalls alleine rumstehen Nerds mich gleich ansprechenden würde und ich dann wenigstens nicht mehr allein deplatziert wirken würde. Und so stand ich also eine Stunde, starrte die anderen Konzertbesuche an und handelte mit meinen gebrechlichen, arbeitsgeschundenen Knochen einen Deal aus, dass sie doch noch ein paar Stunden durchhalten sollten. Währenddessen füllte sich die Halle mit Menschen aller Altersstufen, in Dutzenden Typen glaubte ich Dr. P. zu erkennen und stellte dann etwas enttäuscht fest, Nouvelle Vague war eine Band für Streber. Und als ich schon kurz vorm Heimgehen war und der Bühenhelfer, ihn Roadie zu nennen wäre eine Beleidigung für die Zunft angesichts der Enge der Klamotten, noch irgendwas irgendwo festklebte, kamen die Damen und Herren endlich auf die Bühne.

Und bähm, da war sie. Nadeah Miranda, Frontsängerin und wohl eine der geilsten Frauen, die ich je gesehen hab. Plötzlich verstand ich auch den deutlichen Männerüberschuss im Raum. Gott, war diese Frau heiß und dann trug sie auch noch einen schwarzen Hauch aus nichts, große Brigitte-Bardot-Augen und die blonde Mähne locker zusammengesteckt. Und während ich sie noch ganz fasziniert anstarrte, ging das Konzert los. Und das war irgendwie etwas unstimmig, so als würde eine Amateurtruppe lauter zusammengewürfelte Songs spielen. Ich meine, schon klar, dass sich das bei der Bandbreite an unterschiedlichen Coversongs nicht wie aus einem Guss anhören kann, aber die Tatsache, dass sie Songs wie „Master and Servant“, das Depeche Mode-Frontman mit der Band eingespielt hat oder „Too drunk to fuck“, bei dem ich im übrigen von Nadeah angespuckt wurde, relativ am Anfang sangen, fand ich irritierend. Umso stimmiger war dafür die Bühnenshow von Nadeah. Eigentlich hätte man sie auch alleine auf die Bühne stellen könne. Dass da noch eine Sängerin stand, fiel gar nicht auf. Aber die hatte mit ihrem zugeknöpften Kleid und dem Dutt von Haus aus keine Chance gegen die Verrenkungskünste von Nadeah. Nicht nur sah man Dutzende Mal ihre Unterwäsche, einmal sprang sie auch mitten ins Publikum, als dieses ihrer Meinung nicht anständig mitmachte. Dann führte sie etliche Male ihre Künste im Ausdruckstanz vor, liebkoste den Securitymann mit ihren Füßen und gebärdete sich insgesamt mehr wie eine Stripperin denn als Frontfrau von Nouvelle Vague. Und hier spricht nicht der Neid aus mir, ich fand’s im Gegenteil ziemlich geil, nur war ich auf einen Konzert und nicht in einem Stripclub. Aber so konnte ich gleich zwei Sachen von meiner „I need to do/see in Prague“-Liste streichen.

Das einzige Mal, dass die andere Frontsängerin der Band wirklich Aufmerksamkeit auf sich zog, von den Songs, die sie alleine performte abgesehen, stellte das Ende von „Too drunk to fuck“ da. Hier animierte sie mit dem Satz „Do you want another fuck Praha“, das Publikum dazu, nach Ende des Songs noch ein dutzend Mal den Refrain zu singen, wofür es auch ein dickes Lob für den sehr guten, sehr langen Fuck erhielt.

Nach etwas mehr als einer Stunde und zwei Zugaben, war die Show dann vorbei und Nouvelle Vague luden zur Signierstunde. Die war aber so überlaufen von notgeilen Typen, dass ich es mir sparte, mich in die Schlange einzureihen. Wobei ich zugeben muss, dass ich gerne ein Paar Worte mit Nadeah gewechselt hätte. Aber ich hatte eh nichts zu signieren dabei und sie einfach sabbernd anstarren, das taten schon genug Leute. Und so entschwand ich in die Nacht, befreit von all den Geistern der Vergangenheit.

Bildnachweis:
Monika Kindermann

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