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| | Nachtleben | 25.3.2011

Damn hell

30 Minuten später laufe ich dann in Strašnice ein, wo ich doch tatsächlich die Schlüsseldame antreffe und ihr ganz stolz meine No 3. zeige. Hmm, findet sie nun nicht so dolle, aber Geschmäcker sind ja verschieden. Und für einen langen Plausch habe ich auch keine Zeit. Schnell springe ich in die vormittags rausgelegten Klamotten und freue mich, dass Čič die Lederjacke wirklich in Ruhe gelassen hat. So, noch schnell eine Tonne schwarzen Lidschatten und Kajal rund um meine Augen verteilen, die Tasche securitysicher packen und dann laufe ich auch schon wieder aus dem Haus. Eigentlich habe ich wenig Lust und würde mich nun lieber eine Stunden vor einen Spiegel setzten und No.3 betrachten, als mich mit 500.000 Menschen um eine Platz in der ersten Reihe zu prügeln. Aber ich bin ja schließlich auch wegen BLS nach Prag gekommen, also los.

Wie ich es erwartet habe, bin ich viel zu spät dran. Und mit viel zu spät meine ich ca. eine Stunde. Natürlich habe ich von meiner Konzertbegleitung auch keine Telefonnummer, sodass ich mich nicht mal melden kann. Aber er ist ja schon ein großer Junge und wird das überleben, hoffe ich und laufe weiter. Natürlich habe ich in der Eile vergessen, dass ich in die Overknees immer zwei paar Socken anziehe, weil sie ein bisschen zu groß sind und so rutsche ich nun mehr, als dass ich laufe. Aber bei meinem Outfit sind mir die Blicke eh sicher, dachte ich zumindest. Doch nun muss ich feststellen, womit ich in München die Straßendirne schlechthin wäre, das erregt in Prag nicht mal groß Aufmerksamkeit. Ein weiterer Grund, diese Stadt einfach zu lieben.

Nachdem ich dann gefühlte zwei Stunden später endlich an Strossmayerovo náměstí ankomme, verlaufe ich mich natürlich erst mal. Und das obwohl ich schon Dutzend Mal in der Vltavská auf 'nem Konzert war. Als ich dann um sieben endlich an der Halle ankomme, stehen da schon geschätzte 300 Menschen in schwarz mit Lederjacke und langen Haaren. Da es noch dazu bereits dunkel ist, habe ich null Chance, meine Begleitung zu finden, die ich erst einmal in meinem Leben zuvor gesehen habe. Das war auf dem Iron-Butterfly-Konzert letzten Oktober. Damals waren wir nach dem Konzert beim Warten auf die Band ins Gespräch gekommen und hatten uns eigentlich ganz gut verstanden und dann, wie man das heutzutage so macht, alle Daten ausgetauscht um sich in den Weiten des www zu finden. Seither hatten wir ab und an gechattet und das war’s. Und vor kurzem hatten wir dann festgestellt, dass wir beide zu BLS wollen und uns verabredet, zusammen hinzugehen.

Da stehe ich nun also in meinem Mini, habe noch 'ne Stunde bis zum Einlass, friere mir den Allerwertesten ab und bin ganz alleine. Was macht man in so einer Situation? Genau, erst mal eine rauchen. Und dann setz ich mich trotz der Kälte auf einen Mauervorsprung. Und während ich dann da so rauchenderweise sitze, quatschen mich die zwei Typen neben mir an, ob ich denn schon mal hier gewesen wäre und ob es da drin ne šatna gebe. Aufgrund meines großen Erfahrungsschatzes mit der Vltavská bin ich natürlich absolut kompetent für solch essenzielle Fragen. Und nun setzt ein munterer Fragemarathon ein, bei dem ich erfahre, dass ich gerade das Vergnügen mit zwei Jungs aus dem slowakischen Hinterland habe, die extra für BLS in der Stadt sind und die heute bei 'nem Kumpel pennen. Die Tatsache, dass ich als Ausländerin und Mädchen hier ganz alleine bin finden sie schockierend faszinierend. Nachdem ich den Whiskey, mit dem sie sich passend zur Band einen antrinken, ablehne, zaubern sie ein Bier aus dem Rucksack, dem ich nicht abgeneigt bin.

Langsam kommt nun auch Bewegung in die Masse, der Einlass hat begonnen. Und während ich mich so mit meinem neuen Freunden einreihe, tippt mich plötzlich jemand von hinten an. Ich drehe mich um und es macht bämm. Hinter mir, oder besser jetzt vor mir steht meine Begleitung und der sieht verdammt gut aus in seiner Lederjacke und dem verwuschelten Haar. Das war mir damals ja gar nicht aufgefallen. Und gerade, als ich beginne, mich auf den Abend zu freuen, erzählt er mir, er kommt nicht rein. Er hätte auf der Gästeliste stehen sollen, tut das aber nicht. Und nachdem er sich nun 30 Minuten rumgestritten habe, reiche es ihm auch. Auf meinen Vorschlag, ob wir danach noch ein Bier trinken gehen wollen, sagt er zwar erst zu und wir tauschen Nummern, doch kaum bin ich auf dem Konzert, kriege ich eine SMS, dass er nun heim gehe und sich schlafen lege. Nicht sehr rockerlike. Aber ich habe nun keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, denn nun geht es um essenziellere Dinge.

Nachdem wir uns mit Bier eingedeckt haben machen wir uns an die Platzeroberung. Die Slowaken haben sich nach längerer Diskussion dazu entschieden, nicht auf den Balkon zu gehen, also drängen wir nach vorne. Seitlich reingequetscht schaffen wir es in die 2,5 Reihe. Nicht schlecht. Weniger gut ist die Tatsache, dass links und rechts von mir schon wieder Typen stehen, die sich dem verströmenden Geruch nach zu urteilen auch schon länger nimmer gewaschen haben. Lecker. Aber wie ich diese Woche so festgestellt habe, ist Waschen bei tschechischen Männern im Moment eh nicht sehr trendy. Wer nur diesen back to Urmensch-Trend erfunden hat? Oder herrscht in der Republik gerade Seifenmangel? Wie dem auch immer sei, ich find’s nicht animalisch-erotisch, mir stinkt’s einfach nur. Aber nach dem 3. Bierchen hab ich das auch vergessen.

Ach, es ist so herrlich, nicht alleine auf einem Konzert zu sein. Man hat immer jemanden zur Hand, der Biernachschub holt und ich kann sogar mal auf Toilette verschwinden, ohne meinen Platz zu verlieren und muss nicht, wie sonst immer, bis zum bitteren Ende ausharren. Ja, da stehen wir also so und warten auf die Vorband. Die lässt ganz schön auf sich warten. Und je länger wir so in diesem Betonblock ohne Lüftungsanlage stehen, und je mehr Menschen in eben diesen strömen, desto angenehmer warm und klebrig wird es hier vorne. Das ist auch den zwei mittelalten Damen vor mir schon aufgefallen und sie lästern lautstark auf deutsch. Haben wohl gedacht, hier versteht sie keiner. Dementsprechend doof schauen sie, als ich sie frage, woher sie denn kommen. Und wie es der Zufall so will, sind sie auch Münchner Madl, wobei sie die Altersgrenze für Madl schon vor einiger Zeit überschritten haben. Wir plaudern ein bisschen, ich erfahre, dass sie der Band von Prag über München bis in die Schweiz folgen werden. Ziemlich hardcore.

Dann kommt eine Durchsage, die Vorband, die aus Polen stammt, steckt irgendwo auf dem Weg von Polen nach Prag, fällt also aus und wir dürfen noch bis 22.30 Uhr warten, bis BLS sich mal auf die Bühne bequemen. Wow! Gut, dass die Bierversorgung floriert, kann ich da nur sagen. BLS- Superfan aus München No.1 wird es langsam zu stickig und sie verzieht sich in den hinteren Teil der Halle und das, bevor die Band überhaupt auf die Bühne gekommen ist. Was für ein Weichei. Ihre Freundin harrt indes weiter tapfer aus. Und als ich auch schon kurz vor dem Zerfließen bin, kommen Zack endlich auf die Bühne. In Bruchteilen von Sekunden ist die Hölle los. Alles schreit, springt und headbangt. Ich strecke und recke mich wie blöde, um von meinem Platz aus ein paar gute Bilder zu machen, bis der Akku meiner Kamera aufgibt. Ver…! Und nun? Da fällt mir ein, dass die Slowaken auch 'ne Cam haben und da sie inzwischen etliche Reihen weiter nach hinten gedrängt werden, geben sie mir bereitwillig ihre, zumal ich, nachdem die zweite Deutsche auch abgezogen ist, nun in der ersten Reihe stehe.

Was nun passiert, an das erinnere ich mich nur schemenhaft. Ich schreie, springe, headbange, mache Aberdutzende von Fotos und verliere mich total in der Musik. Ab und an drehe ich mich um, um mich zu vergewissern, dass die Slowaken noch da sind. Aber ich hab ja ihre Cam, ohne die werden sie wohl kaum abhauen.

Und dann passiert es: John DeServio kommt ganz nah an den Bühnenrand und legt eine Session hin. Alle schreien und strecken die Hand nach einem Plek. Und wer kriegst? Genau, Klein-Moni und zwar direkt in die Hand gegeben. Saugeile Aktion. Noch viel geiler ist aber, als ein Weilchen später Nick Catanese zu uns rüber kommt und ich noch eins ergattern kann. Tja, hat Vorteile, als eines der wenigen Mädels in erste Reihe zu stehen und dann auch noch ein verhältnismäßig tief ausgeschnittenes Shirt anzuhaben. Ich bin auf alle Fälle selig!

Viel zu früh ist das Konzert dann aus und ich finde mich in der Realität wieder. Vom Plekerfolg angestachelt versuche ich, backstage zu kommen, werde dank des Pressausweis’ sogar durch die ersten drei Securitykontrollen gelassen, aber dann ist Ende. Man sagt mir, ich solle hier warten, nur kommt dann keiner. Irgendwann wird mir das zu doof und ich ziehe mit den Slowaken ab. Bei denen fand inzwischen die wunderbare Brotvermehrung statt und aus zwei wurden drei. Zusammen mit dem Bettgeber der beiden ziehen wir weiter ins Vagon, wo wir nicht nur bis zum Morgengrauen weiterheadbangen werden, sondern wo ich mir auch eines meiner Pleks abbetteln lassen.

Eine Nacht, so wie die Nächte in Prag nun mal sind, so wie ich sie liebe und wie sie in München nie sein werden.

Bildnachweis:
Monika Kindermann

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