Es ist kalt und dunkel – nein, heute fange ich mal nicht so an. Auch wenn es kalt und dunkel war!
Nach diversen Erasmusparties, die diese Woche ja in allen erdenklichen Lokalitäten stattfanden, hatte ich doch das dringende Bedürfnis zu schauen erfahren, ob mein Gehirn nach all der schlechten Musik und dem ein oder anderen alkoholischen Getränk noch am Leben war. Und was ist dafür besser geeignet als ein bisschen Kultur? Gut, ich hätte auch einfach tschechische Grammatik wiederholen können, doch alles zu seiner Zeit. Für dieses Mal hatte ich mir die Fotoausstellung über den großen deutschen Nachkriegsfotografen Herbert Tobias in Rudolfinum ausgesucht, um meinem Gehirn mal wieder etwas Futter zu geben.
Ich hatte gefühlte 20 Minuten in der Kälte neben einer Horde pubertierender Schüler auf meine Begleitung gewartet, und hier möchte ich anmerken, dass es mir doch langsam auf die Nerven geht, dass in Tschechien einfach niemand pünktlich ist, pohoda hin oder her. Irgendwann kam sie dann an und ich war noch nicht ganz totgefroren. Erst mal sind wir dann zum falschen Eingang gestakselt. Merke: Nicht dem großen roten Pfeil folgen, der bringt einen nur zur Philharmonie, der Eingang zur Galerie befindet sich auf der der Moldau zugewandten Seite des Gebäudes. Nachdem wir dann also drin waren und die meines Erachtens nach für Studenten immer noch zu teuren Tickets für 70 Kronen gekauft hatten, ging es auch schon ins Interieur. Ich bestaunte nun erst einmal ausgiebig die Deckenverzierung des Neorenaissance -Gebäudes. Ja, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es nach über fünf Monaten in Prag das erste Mal war, das ich einen Fuß ins Rudolfinum gesetzt habe.
Etliche Ohs und Ahs später war ich dann mit Staunen fertig und wir bewegten uns die Treppe hoch zur Ausstellung. Über fünf riesige Räume erstreckten sich dann 150 Fotos aus allen Schaffensperioden Tobias‘, wobei die Exponate immer nur an einer, maximal zwei Seiten der Räume aufgehängt sind. Die Fotos sind dabei nicht etwa zeitlich angeordnet, sondern nach Themen wie florale Muster, Theaterszenen, oder dergleichen. Ich persönlich fand das eher weniger ansprechenden, werden so beispielsweise Tobias‘ Fotos aus seiner Zeit an der russischen Front über mehrere Themen verteilt, und somit die innere Zusammengehörigkeit etwas zerstört.
Zunächst machten wir uns im gemütlichen Schlenderschritt daran, in Tobias‘ Welt abzutauchen. Doch kaum waren vielleicht 20 Minuten vorüber und wir waren noch nicht mal bei den diversen Aufnahmen nackter Männer angekommen, die für viele der doch sehr jungen Ausstellungsbesucherinnen wohl einer der ausschlaggebenden Gründe waren, hierher zu kommen, als wir von einer Galerieperson darauf aufmerksam gemacht wurden, dass die Ausstellung in 20 Minuten schließen würde und wir noch 3 Säle vor uns hätten. Nun begann das große Gedränge und Geschubse, jeder wollte noch schnell alle Bilder sehen. Wir haben es dann tatsächlich geschafft durch alle Säle durchzukommen und hatten am Ende sogar noch ganze fünf Minuten Zeit.
Gut, abgesehen von diesem Stress war die Ausstellung sehr schön, mein Gehirn scheint noch zu leben und ich kann allen, die ausdrucksstarke Schwarzweiß-Fotographie mögen, nur empfehlen, bis zum 28. März mal vorbeizuschauen.
Wir setzten uns im Anschluss noch in eine der nahe gelegenen Kneipen, wärmten uns bei Punsch ein bisschen auf und ließen die Bilder nochmal Revue passieren.