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| | Musik | 4.7.2010

Es grünte so grün in Prag

Und die Rede ist hier nicht vom Austreiben irgendwelcher Pflanzen aufgrund der plötzlich einsetzenden Sonnenbestrahlung der letzten Tage, sondern vom Konzert von Green Day. Die spielten vor ein paar Tagen zusammen mit Billy Talent ein Open Air auf dem Ausstellungsgelände Výstaviště. Eigentlich ja eine ziemlich coole Sache. Und eigentlich hätte das ein wirklich toller Tag werden sollen. Das Wetter war top, meine Laune auch. Diesmal brauchte ich auch keine Ewigkeit, um zu entscheiden, was ich anziehen sollte. Mehr Probleme machte mir die Tatsache, dass keiner meiner trantütigen Freunde mitkommen wollte. Und so ein 6-Stunden-Open-Air alleine kann etwas langweilig sein. Aber gut, ich bin ja schon ein großes Mädchen und ging also alleine hin.

Am Akkreditierungszelt folgte nach Ich-weiß-wie-du-heißt vom letzten Mal heute sogar ein kleiner Flirt. Beschwingt ging ich also zum Einlass. Gerade als ich mich freute, diesmal mit meinem gesamten Tascheninhalt das Gelände betreten zu dürfen und auch kein Opfer sexueller Belästigung geworden zu sein, und dabei hätte unter meinen Wallerock diesmal wirklich eine Bombe gepasst, da streikten die Drehkreuze und zwar alle. Und als die wieder gingen, wollen die ums Verrecken meine Karte nicht annehmen. Und da stand ich nun in praller Sonne, intelligenterweise ganz in schwarz, also was will man zu Greenday ja auch sonst anziehen, und musste auf den Obersecurityboss warten. Bis der kam war ich dann schon halb zerlaufen. Da aber auch er nicht wusste, was zu tun war und ich mal zufällig das Wort Presse fallen ließ, durfte ich dann doch endlich rein. Dort holte ich mir erst mal ein Bier zur Abkühlung und wollte den Konzertbereich inspizieren. Vom langen Warten in der Sonnen hatte ich aber offensichtlich schon einen kleinen Sonnenstich und wollte doch versehentlich zweimal in den stani-u-podia-Bereich dackeln, was mir aber die Security verwehrte. Und so ging ich dann brav zum stani-Bereich.

Und was soll ich sagen. Es war genau wie ich mir das immer vorstellte. Ich stand zwei Kilometer von der Bühne weg. Ok gut, das ist gelogen und solange sich alle ruhig verhielten, keiner seine Arme in die Höhe riss und sprang, sah ich gut und konnte auch gute Fotos machen. Doch leider hatten diese Pseudo-Punk-Kiddies das dringende Bedürfnis, dies zu tun. Somit leider keine guten Green-Day-Fotos.

Aber wo wir grad beim Thema Kiddies wären. Ja, diesmal war ich die Rockoma. Es war schlimm. Als ich mich dann mit meinem Bier im Stand-Bereich eingefunden hatte, mich erst mal hinsetzte und eine rauchte, schauten mich plötzlich alle komisch an. Da erst kapierte ich es. Ich war weit und breit die einzige, die für Bier und Zigaretten schon alt genug war. Klasse. Ok gut, das hätte ich mir denken können, war damals bei Billy Talent auch nicht anders. Trotzdem ein doofes Gefühl. Aber je später der Abend, und der wurde verdammt lang, desto mehr alte Menschen kamen. Und mit alt meine ich nun nicht 25 plus, sondern eher 50 plus. Wieso? Keine Ahnung. Vielleicht ein Seniorenausflug? Weil selbst als Green Day Anfang der 80 ihre Karriere begonnen, waren diese Menschen für Punk schon zu alt.

Und da wären wir auch beim nächsten Thema. Bekanntlich handelt es sich bei Green Day ja um eine oder besser die Punkband der Neopunk-Ärea, die dann vor ein paar Jahren den vermeintlichen Weg zum Rock gefunden hat und sich heute Punk-Rock-Band nennt. Da würde man ja nun erwarten, dass die Menschen auf dem Konzert entweder Altpunker sind, oder eben Punkrocker. Und genau da lag der Fehler. Denn was ich da sah, war eher sowas wie ein rockiger Punk-HipHoper. Was das ist? Scheinbar die neue Form der tschechischen Jugendbewegung. Mädchen in superknappen Hotpants, mit ganz viel Blingbling um den Hals, in den Ohren, an den Armen, ganz viel Schminke, und nein, damit meine ich nicht Tonnen von allen möglichen Schwarzabstufungen rund um die Augen. Dazu dann noch supersaubere chucks. Also die Punks, die ich in Deutschland kenne, sehen anders aus. Aber dieser Mix passte perfekt zum heutigen Abend. Denn Green Day konnten sich auch nicht ganz entscheiden, was sie nun sind. Die Feuerfontänen von Kiss, das Feuerwerk von Metallica, Medleys von Black Sabbaths Iron Man und Hey Jude von den Beatles, das in Kombination mit Kabarett, einer Teufelsanbetung, eine Travestieshow. Von allem etwas und was rauskam, waren 2,5 Stunden Bühnenpräsenz, bei der sie, wenn’s hochkommt, 1,5 Stunden wirklich gespielt haben. Den Rest der Zeit haben sie auf ganz unheimlich plumpe Weise versucht, sich die Gunst der Fans zu erkaufen.

Ich meine, ein bisschen nett zu Fans sein ist immer gut und bin ich auch großer Fan davon. Aber was Green Day da abgezogen haben war schon peinlich, fand ich. Da wären zunächst mal die Spezialeffekte. Ich meine, klar als große Band braucht man eine große Bühnenshow. Aber die Riesenmonitore, die aberdutzende von Scheinwerfer und der blinkende Green Day-Schriftzug hätten vielleicht genügt. Gut, ein bisschen Feuerwerk ganz am Ende hätte ich mir auch noch eingehen lassen. Bietet sich ja quasi an bei einem Open-Air. Warum dann aber noch unzählige Male Feuerfontänen aufloderten, es immer wieder Explosionen gab und mehr als ein dutzend Mal Raketen hochgingen, war mir nicht ganz begreiflich. Vor allem gegen Ende war dieses dauernde Feuerwerk sehr irritierend. Ich dachte mindestens fünf Mal, das Konzert sei nun aus, einmal begannen sogar Leute schon wegzulaufen, und dann kamen die Drei doch wieder auf die Bühne. Und dann noch die Nummer mit dem Wasserschlauch. Da das Open-Air ja bereits um vier Uhr die Tore geöffnet hatte, und die Sonne nur so knallte an dem Tag, lagen ein paar dicke Wasserschläuche rum, mit denen das Publikum hin und wieder erfrischt wurde. Billie schnappe sich einen der Schläuche und übergoss die erste Reihe. Gleich danach gab’s dann eine Ladung Klopapier. Dann noch jede Menge T-Shirts, die mit einer T-Shirt-Kanone in die Menge geschossen wurde. Dazu kam noch alle zwei Minuten ein „hej-ja“, was die Fans nachsingen sollten. Und, mein persönlicher Lieblingsspruch „Let’s get crazy“. Ich weiß ja nicht, wie oft man an einem Abend crazy werden kann. In meiner Vorstellung flippt man einmal aus und das war’s. Billie verlangte das an die zehn Mal. Das lustige, oder besser traurige daran, keiner flippte aus. Also nicht mehr als zuvor.

Denn für meinen Geschmack waren diese Hybrid-Kiddies eh schon ausgeflippt genug. Klar, bei einem Konzert bewegt man sich zur Musik. Aber muss man denn völlig ohne Takt- oder Rhythmusgefühl einfach wie ein Bekloppter springen, als wäre man ein fünfjähriges Kind, das zum ersten Mal auf einem Trampolin ist? Und dazu mit den Armen wild um sich schlagen? Und das noch dazu, wenn es gefühlte dreihundert Grad hat und alle schwitzen wie blöde? Bei jedem Tropfen, der mich traf und das waren verdammt viele, hoffte ich inständig, das möge Wasser aus dem Wasserschlauch sein und nicht der Schweiß von dem vollkommen ekligen Typen neben mir. Der befand sich nicht nur gerade im Stimmbruch und brüllte mir den ganzen Abend völlig schief ins Ohr, sondern wohl auch grade in seiner selbstzerstörerischen Ich-tut-mir-selber-weh-Phase. Das war ganz toll, als seine Schnitte in der Handinnenfläche vom wilden Rumspringen plötzlich zu bluten anfingen. Echt lecker.

Doch kommen wir zurück zur Fanbestechung. Der Höhepunkt wurde dann erreicht, als insgesamt sechs Fans auf die Bühne geholt wurden. Beim ersten war’s ja noch ganz lustig. Der entriss Billie nämlich das Mikro und rockte die Menge. Erst fand Billie das noch ganz lustig, doch als der Fan dann bleiben wollte, wurde er etwas ungehalten und schaffte es schließlich, dass dieser sich mit einem Sprung in die Menge verabschiedete. Als nächstes kam dann ein Junge hoch zur „Teufelsanbetung“. Der sollte sich dann auch stagedivenderweise wieder verabschieden, was er nicht so recht wollte. Dann noch ein Mädel, welches sogar einen Schmatzer von Billie bekam und daraufhin fast ungekippt wäre. Als letztes noch das „Wir-tauschen-die-Band-gegen-Fans-aus-Spiel“, bei dem die Dame, die Billie ersetzte, doch tatsächlich dessen Gitarre behalten durfte.

Vermutlich fragt sich der werte Leser nun warum ich so wenig über die Musik schreibe, war ich doch auf einem Konzert. Ja, weil diese offensichtlich nicht im Vordergrund stand dieses Mal. Zumindest bei Green Day nicht. Fairerweise muss man sagen, dass Billy Talent echt gerockt haben. Zeitweise dachte ich schon, den Sänger haut’s gleich um wegen Hitzschlag, so rot im Gesicht wie er war. Aber ‘ne geile Show, genau wie die tschechische Vorgruppe The Poor. Nur bei Green Day eben nicht. Wobei,so kann man es auch nicht sagen. Der erste Teil war gut, nur irgendwann haben sie dann den Faden verloren und sind irgendwie ins Schwafeln geraten. Das wäre auch noch verzeihlich gewesen, aber das Ganze dann auf eine gigantische Konzertlänge von über 2,5 Stunden auszudehnen? Das hätte es echt nicht gebraucht!

Bildnachweis:
Monika Kindermann

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