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Der Autor

Stanislav Beran ist freier Journalist und Korrespondent mit Schwerpunkt Geschichte und Kultur. 

Als Auslandskorrespondent berichtet er aus dem Isergebirge für verschiedene Zeitungen und Onlinemedien im deutschsprachigen Raum.

Er ist Dolmetscher und staatlich geprüfter Übersetzer für die deutsche Sprache, Herausgeber der Friedländer Zeitung und Heimatforscher.

Auch die Website https://friedlandinbohmen.jimdo.com, auf der man Informationen zur Vergangenheit und Gegenwart des Kreises Friedland in Böhmen und die vielseitige Geschichte des Landes unserer Ahnen finden kann, wurde von ihm erstellt.

Für den Blog auf Tschechien Online schreibt er seit April 2015.

Im Internet: friedlandinbohmen.jimdo.comfriedlandinbohmen.jimdo.com
Bildnachweis:
Stanislav Beran

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| | Panorama | 3.12.2022

Segnung der Gruftkapelle in Buschullersdorf

  • Ansprache von Pfarrer Andš, Frau Vávrová und Frau Christa Schlör
  • Die Gruft wird von Pfarrer Andrš gesegnet
  • Besucher vor der Gruft
  • Kleine Erfrischung
  • Besucher vor der Gruft
  • Die Gruft Berger in Buschullersdorf vor der Sanierung
  • Die Gruft Berger in Buschullersdorf vor der Sanierung
  • Die Gruft nach der Sanierung

Die Sanierungsarbeiten an der Gruftkapelle auf dem Friedhof in Buschullersdorf wurden im September offiziell abgeschlossen. Am 20. November 2022 um 13,00 Uhr segnete der Haindorfer Pfarrer Pavel Andrš die Kapelle, in der sich fünf Zinksärge mit den sterblichen Überresten der bedeutenden Familien Neuhäuser und Berger befinden.

Am 4. Dezember 1890 wurde die offizielle Genehmigung für den Bau des Friedhofs erteilt, und am 1. April 1891 begannen die Arbeiten. Die erste Beerdigung fand hier am 7. Juli 1891 statt. Beerdigt wurde Julia Pfeifer aus Haus Nr. 141. Am 27. August 1892 wurde die Leichenhalle mit einer Glocke ausgestattet, die von Robert Zelsmann aus Reichenberg geliefert wurde. Die Glocke ist zum ersten Mal bei der Beerdigung von Teresia Preibisch aus Haus Nr. 48 geläutet worden. Ein Jahr nach der Gründung des Friedhofs - im September 1892 - kaufte der Fabrikant Franz Neuhäuser die erste Gruftstelle.

Für die Wiederherstellung dieser Gruftkapelle, die sich jahrelang in einem erbärmlichen Zustand befunden und um die sich niemand gekümmert hatte und die nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei in Vergessenheit geraten war, setzte sich der Bürgerverein „Živo v Hájích“ (Leben in Buschullersdorf) ein. Außer der Gruftkapelle segnete Pfarrer Pavel Andrš noch fünf deutsche Gräber der Familien Köhler und Endler. 

Der Verein hatte mit der Friedhofssanierung einen Beitrag zur tschechisch-deutschen Aussöhnung geleistet, die nach wie vor ein aktuelles Thema ist. Der 2013 von der Buschullersdorfer Chronistin und stellvertretenden Bürgermeisterin Jiřina Vávrová mitbegründete Verein organisiert seit dieser Zeit kulturelle Veranstaltungen und versucht, Buschullersdorf zu verschönern.

Die Sanierung der Gruftkapelle begann 2016 und war bis jetzt das größte Projekt des Vereins. Die Gemeinde Buschullersdorf, die tschechisch Oldřichov v Hájích heißt, befindet sich im Isergebirge, neun Kilometer nördlich von Reichenberg und hat rund 800 Einwoh-ner. Durch den Ort fuhrt die Straße von Reichenberg über Einsiedel nach Friedland und Raspenau. Der kleine Ort, dessen Geschichte man bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen kann, war Bestandteil der ehemaligen Herrschaft Friedland in Nordböhmen.

Pfarrer Pavel Andrš dankte der Feuerwehr und den vielen freiwilligen Helfern, die daran beteiligt waren, die Gruftkapelle in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Nachdem Pfarrer Andrš die nahezu 60 Besucher begrüßt hatte, erläuterte Vizebürgermeisterin Vávrová die Geschichte der Gruft. Trotz der seit Tagen herrschenden Kälte drängelten sich die vielen Besucher auf dem Platz vor der Gruft. Anschließend gab es für sie warmen Kaffee, Tee und Kuchen.

Glücklicherweise steht die Gruftkapelle - ein Vermächtnis von Menschen, die hier vor vielen Jahren gelebt haben - nicht unter Denkmalschutz. Sie ist Eigentum der Gemeinde. Der Verein hat sie von der Gemeinde für einen symbolischen Preis von einer Krone, für die Dauer von zehn Jahren, gemietet. „Ich glaube, dass die Gemeinde froh war, dass sie sich nicht mit der Renovierung befassen muss. Offenbar hat man erwartet, dass die Gruft eines Tages einstürzt oder dass sie jemand renoviert. Die Renovierungsarbeiten hat der Verein übernommen und traf eine Vereinbarung mit der Freiwilligen Feuerwehr, die uns half, weil der erste Kommandant der örtlichen Feuerwehr in dieser Gruft beerdigt wurde. Unter den Feuerwehrhelfern befanden sich auch Zimmerleute und Dachdecker, sodass die Gruft im Jahr 2017 ein neues Dach bekam. In den folgenden Jahren wurden der Innen- und Außenputz und der Innenstuck erneuert und die Reinigung der Umgebung durchgeführt“, sagte Jiřina Vávrová. 

Nachdem das Kupferdach von der Gruftkapelle gestohlen worden war, drohte das Gebäude einzustürzen. Ziel des Vereins war es, den weiteren Verfall zu verhindern. Im Dezember 2015 wurde das Dach der Gruftkapelle vorübergehend mit einer Plane abgedeckt.

„Wir können nicht so tun, als ob die deutschen Bewohner nie hier gelebt hätten. Es scheint menschenunwürdig, dass die Grabsteine der verstorbenen ehemaligen deutschen Einwohner in den Brennnesseln liegen und man darauf wartet, dass die Gruft des ersten Kommandanten der örtlichen Feuerwehr, Franz Neuhäuser, eines Tages einstürzt“, bedauerte die Chronistin Jiřina Vávrová.

An der Seite seiner Frau Thekla Berger, geborene Neuhäuser, die wegen ihrer Krankheit jahrelang besonders pflegebedürftig gewesen war und am 2. Dezember 1931 in ihrem 76. Lebensjahr starb, fand in der Familiengruft auch Franz Berger, der Kretscham- oder Dorfgasthofbesitzer, seine letzte Ruhe. Am 2. November 1937 hatte er noch im Kreis seiner Kinder und Enkel frisch und seinem Alter angemessen seinen 90. Geburtstag feiern können. Anlässlich des besonderen Geburtstags bekam der Jubilar an diesem Tag viele Glückwünsche.

Kurze Zeit danach - am 21. November 1937 - ist er seiner Frau Thekla, nach fast sechs Jahren, in die Ewigkeit gefolgt. Auf den zwei schwarzen Glasplatten, die sich an der Wand in der Grabkapelle befinden, sind die fünf Namen der Verstorbenen vermerkt, die hier ihre letzte Ruhe fanden. Thekla Neuhauser, geborene Kretschmer (†7. Februar 1901), Franz Neuhäuser (*1825, †17. Dezember 1903), Richard Berger (*27. April 1914, †13. Dezember 1916), Thekla Berger, geborene Neuhäuser (*11. Juli 1856, †2. Dezember 1931) und Franz Berger (*2. November 1847, †21. November 1937).

Bei den Zinksärgen sind teilweise Beschädigungen erkennbar. Nach dem Krieg wurden viele deutsche Grüfte aufgebrochen, die Särge aufgerissen und die Leichen ausgeplündert. Die Spuren, die man bei der Eröffnung der Gruft entdeckte, lassen vermuten, dass auch in Buschullersdorf Diebe am Werk waren.

Franz Neuhäuser                                                                                                             

Der erste Verein, der in Buschullersdof ins Leben trat, war die Freiwillige Feuerwehr, die im März 1871 gegründet wurde. Die Anregung zur Gründung der Feuerwehr gaben Ferdinand Köhler aus Haus Nr. 184, Franz Neuhäuser aus Haus Nr. 6, Josef Peuker aus Haus Nr. 5, Karl Neuhäuser aus Haus Nr. 88 und Wilhelm Neuhäuser aus Haus Nr. 149. Mit einem Umlaufzettel zum Beitritt aufgefordert, meldeten sich in kurzer Zeit 70 Mann. Franz Neuhäuser wurde zum ersten Kommandanten gewählt. Er war ein prominenter und bedeutender Bürger und Geschäftsmann. Am 30. August 1896 feierte der Feuerwehrverein 25-jähriges, am 27. August 1911 40-jähriges, 1921 50-jähriges und am 7. Juni 1931 60-jähriges Bestandsfest.

Franz Berger

Wie damals berichtet wurde, war auch der Name Franz Berger nicht nur bei der damaligen Bevölkerung des Ortes, sondern auch im Bezirk Friedland ein bekannter Begriff. Heute kennt kaum jemand sein Schicksal. Seine Arbeit erstreckte sich nicht nur auf seinen Wohnort. Auch im öffentlichen Leben war er vielseitig tätig. Berger war jahrelang Mitglied der Bezirksvertretung und Mitglied mehrerer Berufsgenossenschaften und Organisationen. Auch im Verband der Feuerwehr war er ein äußerst aktiver Funktionär. Berger war Besitzer des Kretschams in Buschullersdorf, wohin er eingeheiratet hatte. Zuvor – am 3. April 1862 – hatte der Fabrikbesitzer Franz Neuhauser aus Haus Nr. 161, den Kretscham gekauft.

1904 überließ er den Kretscham mit der Gartenwirtschaft in Nr. 85 seiner am 11. Juli 1856 in Buschullersdorf geborenen Tochter Thekla, verehelichte Berger († 2. Dezember 1931), und deren am 24. November 1879 angetrauten Gatten Franz Berger. Dieser war am 1. November 1847 in Philippsgrund Nr. 4 als Sohn des am 18. Dezember 1873 verstorbenen dortigen Kretscham-Pächters  Franz Berger und dessen Frau Theresia, geborene Prokop aus Friedland, zur Welt gekommen. Nach der Eingliederung der Gemeinde Buschullersdorf in den Bezirk Reichenberg machte er sich auch dort nützlich. 

Berger war auch ein verdienter Feuerwehrveteran. Seit 1872 war er Mitglied der Feuerwehr Buschullersdorf, deren Ehren-Verwaltungsratsmitglied er war, und diente ihr 65 Jahre und zehn Monate. Wahrend dieser Zeit war er ein aktiver Förderer des Feuerwehr- und Rettungswesens. Auch der Bezirks-Feuerwehrverband Friedland, dessen Ausschussmitglied er durch Jahrzehnte war, ernannte Berger zum Ehrenausschussmitglied.

Aufgrund der bewilligten Satzungsänderung fand am Kommandantentag, am 21. Februar 1904, in Friedland die Neuwahl des Verbandsausschusses der Feuerwehr statt, bei der auch Franz Berger gewählt wurde. Der Landesverband für Feuerwehr und Rettungswesen überreichte ihm in Würdigung seiner Verdienste Ehrenabzeichen für 25, 40, 50 und 60 Jahre Treue. Aber auch in der Gemeindevertretung, in verschiedenen Gemeindekommissionen, im Turnverein, im Kameradschaftsverein und im Bund der Deutschen war er tätig. Besonders die Raiffeisenkasse, deren Obmannstellvertreter Berger 28 Jahre lang war, fand in ihm einen Förderer und Mitarbeiter. Sein ältester Sohn Richard fiel am 8. August 1917 an der russischen Front. Sein Name steht auf dem Gefallenendenkmal, das sich auch auf dem Friedhof gegenüber der Gruftkapelle befindet.

Die Mitglieder des Vereines waren sich einig gewesen, dass die Würde dieser Gruftkapelle, die ein Schandfleck auf dem örtlichen Friedhof gewesen war, wieder hergestellt werden müsse. Die Gruft bekam ihr ursprüngliches Aussehen zurück. Den Eingang schützt jetzt ein verschließbares Eisengitter. An die ursprüngliche deutschsprachige Bevölkerung, die das wirtschaftliche und kulturelle Leben in diesen Regionen bedeutend mitprägte, erinnern heute nur noch die Gruftkapelle und die wenigen Gräber mit der deutschen Schrift, die sich an der Friedhofsmauer befinden.

Nach dem letzten Transport der Vertriebenen im Oktober 1946 sind von den ursprünglich 1500 Einwohnern nur noch etwa 15 deutsche Familien im Dorf geblieben. Auf dem einst deutschen Friedhof zerstörten Kinder im Jahr 1967 insgesamt 116 deutsche Gräber. In den siebziger Jahren wurden die Reste der Gräber von dem Friedhof entfernt.

Dem Verein ging es nicht nur darum, den Friedhof schön aussehen zu lassen. Mit der Renovierung der Gruftkapelle gelang ihm auch, ein Stück unserer Heimatgeschichte zu erhalten. Die Renovierung bot auch die Gelegenheit, die Nachkriegsgeschichte in Buschullersdorf aufzuarbeiten und die ursprünglichen Vertriebenen mit den neuen Bewohnern zu verbinden. Jeder, der den Friedhof besucht, ist erstaunt über die großartige Arbeit, die der Verein hier leistete.

Dass die Gruftkapelle heute sorgfältig restauriert ist und von weitem strahlt, das ist vor allem dem Bürgerverein Leben in Buschullersdorf und der stellvertretenden Bürgermeisterin Jiřina Vávrová zu verdanken. Als Nächstes ist die Sanierung der Friedhofsmauer eingeplant.                                                                                      

Bildnachweis:
Stanislav Beran

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